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SPDIntegration jetzt für Deutsche

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit will die Integrationspolitik zu einem seiner Schwerpunkte für 2010 machen - und sich dabei nicht um Migranten kümmern, sondern um Langzeitarbeitslose.

Er bezieht den Begriff Integration nicht allein auf Menschen mit Migrationshintergrund: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Bild: AP

Der Regierende Bürgermeister definiert Integration neu: Für ihn ist das nicht mehr die Eingliederung von Ausländern in die deutsche Mehrheitsgesellschaft, sondern die Integration der Unterschicht in die Leistungsgesellschaft. "Das ist keine Frage von Migranten mehr, sondern von sozialen Milieus", sagte Klaus Wowereit (SPD) am Dienstag. "Es gibt einen fehlenden Aufstiegswillen bei vielen Langzeitarbeitslosen", dies sei der "elementare Punkt". Integration soll ein Schwerpunktthema des Senats in diesem Jahr werden.

Konkrete neue Projekte stellte Wowereit nicht vor. "Wie können wir es schaffen, einen Aufstiegswillen zu etablieren?", fragte er, ohne eine Antwort zu geben. Es blieb bei ein paar Andeutungen. So sagte er etwa, neben den arbeitswilligen Arbeitslosen "gibt es auch Menschen, die sich an diesen Zustand gewöhnt haben". Es existierten "leider Milieus, die über Generationen davon geprägt wurden, dass es unsinnig ist, etwas zu machen". Bei diesen müsse man "den Geist wecken, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich zeigen".

Die Debatte zum Thema koche ab und zu mal hoch, bemerkte Wowereit, etwa als die Lehrer der Neuköllner Rütli-Schule mit einem Brandbrief um Hilfe baten. Dann "wissen auch immer alle sofort, was getan werden muss" und wo die Ursachen lägen. Doch nach ein paar Wochen fehle wieder die Aufmerksamkeit, und es habe sich meist nichts verändert.

Bereits mit dem Beschluss für den Doppelhaushalt 2010/2011 hat das Land nach Ansicht von Wowereit einiges unternommen, um Integration zu fördern: Es gibt mehr Geld für das Management von Problemquartieren, für Stadtteilmütter und für die frühkindliche Sprachförderung. Außerdem ist das zweite Kita-Jahr vor der Einschulung gebührenfrei.

Wowereit nannte als einziges konkretes Beispiel für etwas, was zusätzlich unternommen werden sollte, die Arbeit der Roland-Berger-Stiftung. Der Unternehmensberater unterstützt seit vergangenem Sommer 37 Schüler aus Berlin mit einem individuellen Programm, das unter anderem aus folgenden Baukästen besteht: Nachhilfe, Persönlichkeitstraining, Ferienakademie, Praktika sowie Seminare zu Etikette und Umgangsformen. Wowereits Staatssekretärin Monika Helbig hatte bei der Vorstellung der Stipendiaten gesagt, sie hoffe, "den einen oder die andere in ein paar Jahren als aktiven und engagierten Erwachsenen wiederzutreffen, vielleicht in der Berliner Politik, im Bürgerengagement oder in der Wissenschafts- oder Kulturszene". Sie appellierte an die Schüler, Klassensprecher, Streitschlichter oder Schülerzeitungsredakteur zu werden, um zu "lernen, Verantwortung für euch und Verantwortung für eure Mitschüler zu übernehmen".

Von den umstrittenen Aussagen seines ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin distanzierte sich Wowereit "ohne Wenn und Aber". Sarrazin hatte ebenfalls Langzeitarbeitslosigkeit thematisiert, allerdings einzelne Migrantengruppen nach ihrer Leistungsbereitschaft sortiert. Bei den Arabern und Türken "wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln", so Sarrazin. 20 Prozent der Bevölkerung in Berlin werde ökonomisch nicht gebraucht, dieser Teil müsse sich "auswachsen".

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12 Kommentare

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  • S
    subito

    lol er redet von der spd...."leider Milieus, die über Generationen davon geprägt wurden, dass es unsinnig ist, etwas zu machen" kurt beck, müntefering, usw.. die spaßpartei

  • J
    Jan

    Es ist doch bestimmt für niemanden etwas neues: Nicht die begrenzte Zahl von Langzeitarbeitslosen liegt dem Sozialstaat auf den Taschen, sondern die Großunternhemen, die keine Steuern zahlen, die Beamten, die zwar nichts nirgends einzahlen, aber vom Sozialstatt satt gehalten werden, die Reichen, die im Ausland statt im Inland investieren, Politiker, die Geld für Brücken, Schlösser und Strassen ausgeben anstatt für Universitäten und eine integrierende Bildung. Etc. Jetzt müssen mal wieder die Langzeitarbeitslosen herhalten, können sich ja ohnehin nicht wehren.

  • S
    SvepetNDS

    Das in 2010 das Hart4 bashing richtig in Gang gesetzt wird habe ich schon geahnt, aber das die SPD es immer wieder schaft das einer aus ihren Reihen mit Sätzen wie

    "Es gibt einen fehlenden Aufstiegswillen bei vielen Langzeitarbeitslosen"

    oder "gibt es auch Menschen, die sich an diesen Zustand gewöhnt haben". Es existierten "leider Milieus, die über Generationen davon geprägt wurden, dass es unsinnig ist, etwas zu machen"

    aus dem Rahem fällt, zeigt ganz Deutlich das die SPD-Führungskader überhaupt nicht daran denken sich von einigen Dingen der 2010 Reformen zu verabschieden.

    Die führenden Personen der SPD spekulieren wohl darauf in vier Jahren wieder Juniorpartner der CDU zu werden, oder das die Linkspartei sich total von ihren Gründungsthemen verabschieden?

    Muss Die SPD erst Bundesweit runter auf 7-10%, damit sie wirklich neu beginnen kann?

    SvepetNDS

  • AD
    aso (für den Dau: Akronym=achso)

    „...Es existierten "leider Milieus, die über Generationen davon geprägt wurden, dass es unsinnig ist, etwas zu machen"...“:

     

    Wäre Wowereit ehrlich, und würde hier benennen, wer damit gemeint ist ( ein Blick in die Statistik genügt),

    wie kann er sich da "ohne Wenn und Aber" von Sarrazin distanzieren?

  • E
    Edelweiß

    Integration jetzt für Deutsche? Na, da hat die SPD mit Thilo Sarrazin doch den Experten!

  • LT
    Lars Tido

    Es ist einfach unerträglich, dass die SPD schon wieder den Leidtragenden (nämlich den Arbeitslosen) die Schuld an ihrer Misere in die Schuhe schiebt. Sind wir jetzt bald wieder bei den Sozialschmarotzern und menschlichen Parasiten ?

    Statt einen Mindestlohn einzuführen, werden wieder die Arbeitslosen runtergeputzt. Ich möchte auch daran erinnern, dass die SPD im Bundestag gegen einen flächendeckenden Mindestlohn gestimmt hat ! Das ist noch nicht so lange her.

    Die SPD hat dieses Land tief gespalten und, wie man sieht, immer noch nichts dazugelernt.

    SPD = SpalterParteiDeutschland !

  • N
    Name

    Ehrlich gesagt wundern mich die Aussagen von Wowereit nicht. Ist es nicht "hipp" auf den bereits "am Boden liegenden" rumzutrampeln. Jetzt geraten nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund in den Fokus der Politik, sondern auch diejenigen, die "keine Aufsteigswillen" - und zwar unabhängig ihrer Ethnie - entwicklet haben. Fragen nach dem Hintergrund der allseits zitierten "Leistungsgesellschaft" und deren neolberalem Hintergrund, sind bereits lang aus der öffentlichen Debatte - nicht nur bei "den Linken" - verschwunden. KeineR stellt sich mehr die Frage nach dem "höher, schneller, weiter"... Was bedeutet "Aufstieg" eigentlich? Gaukelt der zitierte "Aufstiegswillen" nicht die Besserung der sozialen Lage vor? Dass nicht alle aufsteigen können, wird dabei verschwiegen - verdeckter Herrschaftsformen sei dank. Mal ehrlich: Was würde passieren, wenn alle aufsteigen würden? Gäbe es dann kein oben und kein unten mehr, dh keine (hegemonial gewollte) Hierarchisierung der Gesellschaft? Das dies in unser aktuellen Staatsorganisation absurd ist, muss mensch an dieser Stelle sicherlich nicht ausführen.

     

    Also: Kräftig nachtreten bei denen, die bereits am Boden liegen und ihnen durch eine Verschärfung der Sozialgesetzgebung (Sanktionierung bei Nichtannahme von Arbeit) und den "Aufstiegswillen" in einer ausschließlich an Leistung ausgerichteten Gesellschaft "eintrichtern" - super Idee!

     

    Dazu kann mensch nur sagen: Nach der Wahl ist vor der Wahl!

  • TK
    Thomas Kilian

    Ehrgeizigen chronisch Kranken, die durch ihren gesundheitlichen Defekt einen Karriereknick erleiden, raten Therapeuten, ihre Ziele tiefer zu hängen. Wen wundert es, dass Langzeitarbeitslose ohne Perspektive dieselbe Strategie wählen?

  • C
    Clara

    In einer gerechteren Welt wäre der soziale Aufstieg gar nicht so wichtig.

    Deswegen wäre es wesentlich effektiver den Hilfsarbeitern und Putzfrauen ein gutes Leben zu ermöglichen, die wir ja schließlich auch dringend brauchen in unserer Gesellschaft, als ihnen vorzuwerfen, dass sie ihre unterbezahlten Jobs für uns alle stillschweigend ausführen.

    Es möchte nun mal nicht jeder sein Leben nur zur Kapitalansammlung nutzen, manche Menschen wollen auch einfach nur eine Arbeitsstelle in der sie wenig Verantwortung übernehmen müssen und trotzdem nicht ausgebeutet werden können.

  • K
    Kommentator

    Genau,

    bringt der faulen Unterschicht (=Ex-Klientel der SPD) endlich mehr Leistungsbereitschaft für unsere geile "Leistungsgesellschaft" (=Ausbeutungs-gesellschaft) bei.

     

    Roland Berger ist da nur Vorbild mit seinem tollen Miniprojekt.

     

    Ansonsten sicher auch: schicke, gestresste BWL-VollpfostINNEN in Schale mit Trolleykoffer bei ihrer wichtigen Selbstdarstellung sind also diese "Leistungsträger".

     

    Der working poor, der sich den Rücken krumm schuftet also nur nicht "aufstiegswillig".

     

    Und Berger zahlt immer brav seine Steuern an den deutsche Staatun ist gar kein marktradikaler ThinkTank mit angegliederter Unternehmensberatung - und ich bin der Torwart von Bayer Leverkusen.

     

     

    Sozialdemokratie ist das Gegenteil von SPD!

    Nächste BT-Wahl: 9 %.

  • A
    anke

    In welcher Stadt lebt der Mann eigentlich? Geht er manchmal vor die Tür? Und wenn ja, macht er dann dabei die Augen auf?

     

    Vielen Langzeitarbeitslosen fehlt also der Wille zum Aufstieg. Meine Güte! Die meisten der Leute, denen die SPD zu Hartz-IV verholfen hat, würden sogar arbeiten für ihre Integration - wenn man ihnen nur die Gelegenheit dazu bieten würde. Ich glaube, die SPD träumt noch immer den 70-er Jahre Traum von der Republik, in der dank glorreicher SPD-Alleinregierung jeder eine Chance hat, der nur genug will. Dabei waren die (west-)deutschen Bundesländer noch nie die bessere USA ...

  • KK
    Klaus Keller

    wollen können als Ziel

     

    "Es gibt einen fehlenden Aufstiegswillen bei vielen Langzeitarbeitslosen"

     

    nur wie darauf reagieren?

     

    Wenn man mir jahrelang beigebracht hat das ich´s eh nicht packe, ich sogar angefangen habe es selbst zu glauben.

    Oder genauso verherend: jahrelang gelernt habe man kann eh nix machen und die passive Opferrolle mit der Muttermilch aufgesogen habe, ist es nicht sehr wahrscheinlich das ich einen "Aufstiegswillen entwickeln werde".

     

    Da müßten die Arbeitsagenturen und Regionalzentren für Arbeit die Leute vielleicht einmal zum Training für soziale Kompetenz, und Persönlichkeitsstärkung schicken.

     

     

    Das bisherige vorgehen setzt die Leute aber eher noch weiter unter Druck, was hervorragend zur Opferrolle paßt. Der Täter ist dann nur dummerweise die Institution die eigentlich helfen soll.

     

    Wowereit braucht nicht mehr Juristen um den Leuten die Paragrafen zu erleutern sondern eher Psychologen die wissen wann das Fordern zur Überforderung wird und die die Leute deshalb erst mal als Mensch annehmen und ihnen zeigen das sie wert sind das man sich um sie bemüht, als Basis der Hilfe zu Selbsthilfe.

    Das wollen muß sich entwickeln können.

     

    PS ich bin sicher das einzelne Sachbearbeiter das längst so sehen.

     

    klaus keller hanau