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SPD zeigt Verständnis für Besetzer

■ SPD in der DDR solidarisiert sich, will aber den Einigungsvertrag nicht gefährden

Ost-Berlin (dpa) - Den Zugriff der künftigen DDR-Länder auf die in Ost-Berlin lagernden Stasi-Akten in einem vereinten Deutschland hat der stellvertretende Vorsitzende der DDR-SPD Karl-August Kamilli gefordert. Das sei nicht gewährleistet, wenn die Akten sich „beispielsweise in irgendeiner zentralen Verwahrung“ befänden. In diesem Sinne, so Kamilli, müsse der bereits unterzeichnete Einigungsvertrag nachgebessert werden. „Wir müssen irgendeinen Modus finden, mit einer Anlage zum Vertrag oder ähnlichem, daß unsere Interessen gewahrt werden“, meinte er. Den Einigungsvertrag wolle die DDR-SPD mit diesen Nachbesserungswünschen jedoch nicht gefährden. „Wir haben uns grundsätzlich für diesen Vertrag entschieden“, sagte Kamilli, „wir wollen die Einigung“.

Zahlreiche Politiker schlossen sich gestern dem Protest von 21 Bürgerrechtlern gegen die im Einigungsvertrag vorgesehene Übergabe der Akten an den Bund an.

Die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik haben nach den Worten ihres deutschlandpolitischen Sprechers Hans Büchler „volles Verständnis“ für die Protestaktion von Ostberliner Bürgerrechtsgruppen. Büchler erklärte in einem Zeitungsinterview, die Demonstranten sprächen das aus, was die große Mehrheit der DDR-Bürger angesichts der andauernden Verfilzung öffentlicher Institutionen durch frühere SED-und Stasi-Aktivisten denke. „Hier wird nur der Gipfel tiefreichenden berechtigten Volkszorns sichtbar“, betonte der SPD-Politiker.

Ost-Berlins Oberbürgermeister Tino Schwierzina (SPD) hat sich mit einem „Es reicht“ mit den Besetzern solidarisiert. „Was muß eigentlich passieren, damit überall in Deutschland begriffen wird, daß allein die Bürger der DDR als Opfer des Stasi-Terrors das Verfügungsrecht über ihre Akten haben?“ Es sei ungeheuerlich, daß das Innenministerium unter Minister Diestel bei der Bewältigung des Stasi-Alptaums noch keinen Schritt weiter gekommen sei.

Der Momper-Berater und frühere DDR-Oppositionelle Ralf Hirsch überreichte den Besetzern einen Scheck über 10.000 DM. Das Geld solle dafür dienen, daß die Besetzer ihre Aktion auch finanziell durchstehen können, erklärte Hirsch am Mittwoch. Er nahm das Geld von den 50.000 Mark, die er von der Zeitung 'Bild am Sonntag‘ als Schmerzensgeld erhalten hatte. Die Zeitung hatte ihn in einem Bericht in Zusammenhang mit der Stasi gebracht. Hirsch war aus der DDR ausgebürgert worden.

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