: SPD will Seehofers Pläne kippen
Bonn (ap/dpa/taz) — Die SPD will das Sparkonzept der Regierung für das Gesundheitswesen kippen. Vollmundig kündigte gestern der stellvertretende Vorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion, Rudolf Dreßler, an, die SPD werde im Bundesrat dagegenstimmen. Die Rechnung, drei Milliarden Mark bei den Patienten und acht Milliarden bei den Leistungsanbietern einzusparen, werde nicht aufgehen. Am Ende müßten doch wieder die Patienten die Zeche zahlen. Augenwischerei sei die Beteiligung der Ärzte: „Die Ärzte verzichten auf eine bescheidene Gehaltssteigerung, während man den Patienten mit vollen Händen in die Tasche greift“, sagte Dreßler. Den Solidarbeitrag der Pharmaindustrie nannte er einen Trick. Minister Seehofer aber gab sich gestern siegesgewiß: Die SPD werde am Ende schon zustimmen; einen drei Milliarden Mark schweren Sparbeitrag der Pillenhersteller könne sie letztlich nicht ablehnen.
Die Pharmaindustrie äußerte sich gestern verdächtig moderat. „Wir sind einverstanden mit der Selbstbeteiligung der Patienten; durch einen einfachen Mechanismus wird der Patient interessiert für die Kosten der Medikamente“, lobte der stellvertretende Sprecher des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie, Thomas Postina. Vor allem die Abkehr von den Festbeträgen als „politischem Dogma“ sehen die Medikamentenhersteller positiv. „Allerdings fühlen wir uns stärker belastet als andere“ — vor allem die Ärzte könnten weiter mit Honorarzuwächsen rechnen, während die eigenen Preise eingefroren werden sollten. Die von Seehofer vorgeschlagene freiwillige Preisbeschränkung wolle man den Firmen in diesem Jahr so lange empfehlen, wie in Bonn verhandelt werde — dabei müßten natürlich die Ideen der Pharmaindustrie miteinbezogen werden. „Die Erstattungsgrenzen müssen anders geregelt werden“, fordert Postina. Er habe durchaus Verständnis dafür, daß die Krankenkassen nur einen bestimmten Betrag für Medikamente ausgeben können. Die Schlußfolgerung aus diesen Überlegungen kann nur lauten: noch mehr Zuzahlung der Patienten.
Kritik wurde außer aus der SPD vor allem von Patienten-, Ärzte- und Apothekenverbänden laut. Während die Vertretungen der Kranken vor allem den neuerlichen Griff ins Portemonnaie des einzelnen ablehnten, monierte Ärztekammerpräsident Vilmar, die Freiheit seines Berufsstandes sei gefährdet. Ein positives Echo fanden Seehofers Pläne bei den Krankenkassen.
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