■ SPD verschleißt Führungsfiguren: Tabula rasa
Der Rücktritt Ditmar Staffelts ist nicht nur eine Geschichte seines eigenen Unvermögens. Richtig ist, daß er es nicht geschafft hat, den Landesvater Diepgen – was die Popularität anbelangt – ernsthaft zu bedrängen. Einen Wahlkampf mit seiner Person zugunsten der SPD zu entscheiden, traute ihm kaum jemand zu. Unbeteiligt am schwachen Bild ihres Vorsitzenden aber ist die SPD nicht.
Der Widerwillen in dieser Partei gegen Veränderungen und gegen eine straffe Parteiführung, die Abgeordnete und Funktionäre schurigelt, wenn es not tut, bestimmt immer noch ihre Gefühlslage. Man sehnt sich nach dem starken Mann; hat man ihn jedoch, nimmt man übel. Den undankbaren Kärrnerjob in der Fraktion durfte Staffelt fünf Jahre lang ausfüllen. Den Landesvorsitz gab es als Draufgabe – mangels personeller Alternative, wie man ihn immer fühlen ließ. An der extrem schwierigen Aufgabe, zwischen persönlichen Eitelkeiten, Strömungsinteressen, Karrierewünschen und Ost-West-Verwerfungen zu vermitteln, aber kann man nur scheitern – wie profan, zeigte sich beim mißlungenen Heckelmann-Sturz im Sommer. Da votierten die Ost-Abgeordneten gegen Staffelt und für ihre Rentenbezüge, die sie bei einer vorzeitigen Auflösung des Abgeordnetenhauses gefährdet sahen.
Führungsfiguren zu verschleißen und ihnen dann keine andere Möglichkeit als den Rückzug ins Private zu lassen, ist die dunkle Seite der SPD. Wer scheitert, wird zur Unperson. Momper durfte das nach seinem Fall vom König zum Spekulanten erleiden. Wolfgang Thierse mochte sich deswegen – neben seinem mangelnden Willen zu undankbarer Arbeit fern der Bundespartei – vor zwei Jahren als Kandidat gar nicht erst in diese Gefahr begeben. Es geht hier nicht um eine Versorgung mit Parteipfründen für Altfunktionäre. Aber eine Partei, die Personalpolitik nur als Tabula rasa betreibt, braucht sich über den Mangel an Führungsfiguren nicht zu wundern. Gerd Nowakowski
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