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Archiv-Artikel

SPD und CDU: die Unterschiede

„Wir können uns die Sozialgesetze einfach nicht mehr leisten“, meint der CDU-Wirtschaftsrat. Der Wirtschaftsrat ist nicht die CDU, meint Merkel

VON ULRIKE WINKELMANN

Was auch immer Angela Merkel dieser Tage zu Arbeit, Gesundheit, Renten gefragt wird, es kommt das immer gleiche begütigende Lächeln. „Also, nun warten Sie mal unser Programm ab“, sagt die Unions-Kanzlerkandidatin und verweist auf den 11. Juli. Dann wollen sich die Unions-Granden darauf verständigen, womit sie den Wahlkampf bis zum 18. September – und die dann mutmaßlich anzutretende Regierungsperiode – bestreiten wollen.

Vorläufig aber übt die Union sich in Ideenweitwurf: So wird das Feld des Vorstellbaren abgesteckt, werden eigene Wimpel gesetzt und die Empfindlichkeiten des Publikums getestet.

Der Wirtschaftsrat der CDU forderte gestern u. a. die Abschaffung des Kündigungsschutzes bei Neueinstellungen, den Umbau der sozialen Sicherungssysteme auf Kapitalvorsorge bei gleichzeitiger Kürzung der Leistungen und eine generelle Steuersenkung für die Unternehmen. „Wir können uns die gesamten Sozialgesetze einfach nicht mehr leisten“, brachte Wirtschaftsrats-Präsident Kurt Lauk den Katalog auf eine Formel.

Nur keine Aufregung, wiegelte Merkel gestern ab: „Die CDU ist die CDU, und der Wirtschaftsrat ist eine ihr nahe stehende Vereinigung“. Sie selbst hatte jedoch tags zuvor ähnlich grobe Keile verwendet wie Lauk: Arbeit brauche Wachstum, das brauche Freiheit und wo Bremsklötze seien, „müssen wir sie niederwalzen“, sagte Merkel auf dem Strategietreffen der Unions-Fraktionsspitzen in Kiel. Damit, beteuerte sie gestern in Berlin, sei aber bloß „Bürokratieabbau“ gemeint. „Wir wollen die soziale Sicherung nicht infrage stellen, sie muss aber erwirtschaftet werden.“

Nimmt man zusammen, was Unions-Länderchefs gleichzeitig ankündigen – „Kürzungen im Sozialbereich“ (Edmund Stoiber, Bayern), aber auch „keinen Abbau bei den Sozialleistungen“ (Christoph Böhr, Rheinland-Pfalz), „mehr Eigenverantwortung“ und gleichzeitig „mehr Netto“ (Günther Oettinger, Baden-Württemberg) –, so ergibt sich bislang folgendes Bild:

In der Arbeitsmarktpolitik wird der Kündigungsschutz bei Neueinstellungen zurückgenommen, aber nicht ganz abgeschafft. Statt in 10-Mitarbeiter-Betrieben könnte er dann künftig erst bei 20-Mitarbeiter-Betrieben beginnen.

Merkel dementierte gestern, dass sie die Gewerkschaften faktisch entmachten will, indem die Betriebsräte das Recht bekommen, Lohnverhandlungen mit dem Chef zu führen. „Das war mal ein Gedanke“, erklärte sie. Gegenwärtig jedoch lege die Union es auf betriebliche Bündnisse für Arbeit mit Gewerkschaftssegen an. Mit Sicherheit aber will die Union die Axt an die Hartz-Gesetze – die vor der Nummer IV – legen und so bei der Arbeitslosenversicherung sparen: Ich-AG, Personal Service Agenturen und Job-Floater, alles „Flexibilisierungsmaßnahmen“, haben keine Zukunft.

In der Gesundheit hat die Union ein Riesenproblem: Ihren „Kompromiss“ zur „Kopfpauschale“. Nach monatelangem Gezerre hatten CDU und CSU sich Ende 2004 auf ein Modell zur Umrüstung der Krankenkassenfinanzierung geeinigt, das schon am Tag drauf niemand mehr verstand. Auch die Unionspolitiker nicht. Deshalb streuen jetzt einige, der Kompromiss werde wieder „aufgeschnürt“.

Wahrscheinlich ist daher, dass die Union nur noch mit der Idee der „Kopfpauschale“ alias „Gesundheitsprämie“ in den Wahlkampf ziehen kann – das Wie und Wann aber etwas offen lassen muss. Die Kopfpauschale ist jedoch ein Kernelement der Logik „Mehr Eigenverantwortung und mehr Kapital gleich mehr Netto“.

Denn wenn die Kassenbeiträge auf eine Einheitsprämie umgestellt, die Arbeitgeber komplett entpflichtet werden, hat der Arbeitnehmer erstens mehr Netto – nämlich ein Plus in Höhe des Ex-Arbeitgeberanteils. Davon zahlt er zweitens „eigenverantwortlich“ die Prämie. Drittens können Gesundheit wie Pflege mit der Prämie besser privatisiert werden. Man braucht bloß Einzelteile aus der allgemeinen Prämie in kapitalgedeckte Zusatzversicherungen zu schieben. Aus „mehr Netto“ wird so für die meisten freilich ein Netto-Minus.

Was die Rente angeht, so versprach Merkel gestern, Rentner nicht zu erschrecken. Mehr als die unter Rot-Grün angelaufenen Nullrunden ohne Inflationsausgleich wird es für die Senioren jedoch auch künftig nicht geben.