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SPD über Vertriebenen-Vorsitzende"Eine Giftmischerin"

Opposition und Zentralrat der Juden kritisieren Erika Steinbach scharf. CDUler Bosbach verteidigt ihre Äußerungen – doch die historischen Fakten sind eindeutig.

"Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat": Erika Steinbach, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. Bild: dapd

BERLIN taz | Es war nur ein kurzer Satz Erika Steinbachs, der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen (BdV). Er wurde in der Fraktionsklausur der CDU geäußert und lautete: "Ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat." Jetzt sprechen viele Anzeichen dafür, dass mit diesem Satz die bundespolitische Karriere Steinbachs beendet ist.

Selbst unter CDU-Politikern wurde Steinbachs Äußerung kritisiert, sodass die BdV-Vorsitzende erklärte, sie fühle sich allein gelassen und werde nicht mehr für den CDU-Vorstand kandidieren. Der Innenexperte der CDU, Wolfgang Bosbach, behauptete gestern zwar, Steinbach habe die deutsche Schuld am Überfall auf Polen "nie relativieren wollen". Dann aber wies er darauf hin, ein Satz könne ihre "Lebensleistung" nicht tilgen.

Am Freitag wurde dann die CDU von der Opposition aufgefordert, Erika Steinbach als Vertreterin der Fraktion aus dem Menschrechtsausschuss zurückzuziehen. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, nannte Steinbach "eine Giftmischerin für die deutsch-polnische Aussöhnung". Volker Beck, der Geschäftsführer der Grünen, erklärte, man könne mit revanchistischen Positionen keine wirksame Menschenrechtspolitik machen. Der Zentralrat der Juden erwartete von der CDU weitere Schritte gegen sie. Angesichts der fast durchgehenden Verurteilung Steinbachs warnte der sudetendeutsche Vertriebenenpolitiker und CSU-Europa-Abgeordnete Bernd Posselt davor, die BdV-Vorsitzende zu marginalisieren. Dies könne die Gründung einer Protestpartei rechts von der CDU befördern.

Inhaltlich hat sich der Historiker Heinrich-August Winkler gestern mit Steinbachs Position auseinandergesetzt. Winkler legte dar, dass Polen 1939 das einzig Richtige tat, als es sich den Forderungen Hitlers nicht beugte und seine Streitkräfte 1939 mobilisierte. Hätte Polen damals nachgegeben, so wäre es zu einem Satellitenstaat des Dritten Reiches herabgesunken und hätte das Schicksal der Slowakei geteilt.

Zur Erklärung sei noch hinzugefügt: Seit Ende 1938 hatte Nazideutschland die polnische Regierung mit drei Forderungen konfrontiert. Danzig sollte ans Reich angeschlossen werden, durch den polnischen "Korridor" sollte eine exterritoriale Autobahn und Zugverbindung führen und Polen sollte schließlich zum Beitritt des faschistischen Anti-Komintern-Pakts "eingeladen" werden. Als Polen diese Forderungen ablehnte, gingen die Nazis auf vollen Konfrontationskurs.

Die polnische Teilmobilisierung vom März 1939, auf die Steinbach sich bezog, erfolgte nach der deutschen Besetzung der "Rest-Tschechei", einem klaren Bruch des Münchner Abkommens und der erzwungenen Abtretung des litauischen Memellandes an Deutschland, also nach vorangegangenen deutschen Aggressionen.

Die Beziehungen zwischen Nazideutschland und dem autoritären Regime in Polen waren von 1933 bis 38 ausgezeichnet gewesen, bis dahin, dass Polen sich an der Aufteilung der Tschechoslowakei 1938 beteiligte. Dies änderte allerdings nichts an der polnischen Weigerung, ein Bündnis mit dem "Reich" einzugehen. Als Ende 1938 die Konfrontation mit Deutschland einsetzte, hatte die herrschende Offiziersclique ein völlig falsches Bild von den militärischen Kräfteverhältnissen und glaubte im Kriegsfall sogar an einen schnellen polnischen Sieg. Hieraus aber eine aggressive Kriegspolitik Polens gegenüber Nazideutschland ableiten zu wollen entbehrt jeder historischen Grundlage.

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31 Kommentare

 / 
  • PD
    Polnischer Deutscher

    @Thomas Sch.

     

    und wie sie ebenfalls in jedem anderen guten Geschichtsbuch nachlesen können gehörten die Gebiete um Posen und dem später sogenannten Korridor inklusive Danzig bis Ende des 18. Jahrhunderts zu Polen-Litauen. Selbst mehrheitlich deutsch besiedelte Gebiete wie das damalige Danzig oder "Preußen königlichen Anteils" unterstellten sich bereits Ende des Mittelalters freiwillig der polnischen Krone und waren in dem Vielvölkerstaat durch eine Personal- oder Realunion integriert. Erst mit den drei Teilungen der Adelsrepublik durch Österreich, Rußland und Preußen wurden diese Gebiete eben von Preußen okkupiert und in Westpreußen bzw. Südpreußen umbenannt. Dass es dann nach fast 120 Jahren Teilung der polnischen bzw. polnisch-litauischen Nation bei der Wiedergründung des polnischen Staates zwangsläufig zu Konflikten mit den Nachbarstaaten insbesondere den ehemaligen Teilungsmächten wie Deutschland kommen musste liegt auf der Hand.

     

    Viele dieser Gebiete wiesen über die Jahrhunderte eine Mischbesiedlung von insb. Polen und Deutschen auf. Das eindeutige Überwiegen einer der beiden Bevölkerungsgruppen ging insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert auf intensive Ansiedlungs- und Bevölkerungspolitik der preußischen/deutschen bzw. später polnischen Machthaber zurück. Diese Gebiete waren also nie nur urdeutsch oder nur urpolnisch sondern gehörten über die Jahrhunderte in unterschiedlichen Konstellationen zu verschiedenen Staatsgebilden!

  • PD
    Polnischer Deutscher

    Niemand bestreitet, dass Polen nachdem ersten Weltkrieg mit militärischen Mitteln versuchte die Grenzen von Polen-Litauen vor den drei Teilung wiederherzustellen. Auch steht unzweifelhaft frei dass die Zweite Republik Polen seit Józef Piłsudski ein autoritärer Staat war dessen Minderheitenpolitik insbesondere die deutsche Minderheit zu Bürgern zweiter Klasse dekradierte und darauf abzielte diese los zu werden. Natürlich hatte der Beginn des zweiten Weltkrieges eine Vorgeschichte mit Verhandlungen und Spannungen, wozu eben auch die (später zurück genommene) Teilmobimachung vom März 1939 gehörte, um als Defensivmaßnahme etwaigen handstreichartigen Überfällen von seiten Nazi-Deutschlands begegnen zu können.

     

    Aber Adolf Hilter hat nun mal diesen Krieg forciert und angestrebt in dem er Polen erpresst und nicht akzeptable Bedingungen gestellt hat. Ausgelöst hat dieser Krieg nunmal Nazi-Deutschland und seine Schergen. Das hat nichts mit Schuld es heutigen Deutschlands oder heutiger Generationen zu tun. Es gibt keine Kollektivschuld, erst recht nicht über Generationen hinweg.

    Aber mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen war es nun mal die deutsche Seite die mit dem ersten Schuss den Anfang in diesem Krieg gemacht hat.

  • Q
    Querulant

    @Schweizer Bürger

     

    genauso wenig wie die Schweiz kein Unschuldslam war und sich bereitwillig an der Massenvernichtung und der Schreckensherrschaft der Nazis bereichert hat...

  • F
    Freigeist

    @ von Jürgen Gojny:

     

    Das muss zu dieser Zeit nichts über die deutsch-polnischen Beziehungen aussagen. Nach dem polnisch-russischen Krieg waren die Polen nur nicht gut auf den Kommunismus zu sprechen.

     

    Das Verhältnis zu Polen war damals nicht gut. Die Festungsfront Oder Warthe sollte bspw. Berlin vor einem polnischen Vorstoß schützen http://de.wikipedia.org/wiki/Festungsfront_Oder-Warthe-Bogen

     

    Glauben Sie, man hätte 1934 600 Mio Reichsmark ausgegeben, wenn man Polen als Verbündeten betrachtet hätte?

    Natürlich ändert das nichts an der Kriegsschuld. Polen wurde schlussendlich überfallen, das bestreitet aber auch keiner.

  • F
    Freigeist

    @ von Juergen:

    Ich glaube die Bürger haben Ronald Schill noch nicht vergessen. Deswegen wird es auch keine Splitterpartei jemals wieder aus dem Stand so hoch schaffen.

     

    Ich habe ja immer noch den Verdacht, die Sache mit Schill war damals eine außer Kontrolle geratene Diplomarbeit an einer psychologischen Fakultät ;-)

  • T
    Tom

    Diese Frau ist unerträglich, schlimm ist nur das man es wahrscheinlich nicht mit Altersstarsinn begründe kann.

    Aber letuztlich ist an der gesamten Misere die Trulle aus Mäckpom verantwortlich.

  • B
    Bernadotte

    "Winkler legte dar, dass Polen 1939 das einzig Richtige tat, als es sich den Forderungen Hitlers nicht beugte und seine Streitkräfte 1939 mobilisierte."

     

    Also hat die Steinbach recht.

     

    Mehr hat sie nicht gesagt.

     

    Man sollte sie nur dafür verantwortlich machen, was sie gesagt hat, nicht dafür, was andere meinen, das es bedeuten könnte.

  • J
    Juergen

    Erika Steinbach und ihre Schergen sind außerordentlich gefährlich. Die "Berufsvertriebenen" sind gut organisiert, haben potente Geldgeber und sie wissen: Innerhalb sehr kurzer Zeit eine politische Partei gegründet, könnte diese bei Wahlen ad hoc auf weit über zehn Prozent kommen (Hamburgs Ex-Innensenator Ronald Schill schon vergessen?).

     

    Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert, heißt's. Mag ja sein. Eine - aufwendig erarbeitete -Studie des Sinus-Instituts ergab 1979: 13 Prozent der Deutschen haben ein "geschlossen rechtsextremes Weltbild." Und derzeit sagt mehr als die Hälfte der Deutschen: Der Sarrazin hat recht!

     

    Reden wir uns bloß nichts schön: Deutschland steht vor der Gründung einer rechtsextremistischen Bewegung, die ins Parlament will.

  • I
    Ifasfas

    "doch die historischen Fakten sind eindeutig. "

     

    Und inwieweit widersprechen die historischen Fakten den Aeusserungen Steinbachs?

     

    Diese sagte, dass im Maerz 39 Polen mobilisiert hat und spaeter, dass das nichts an der Kriegsschuld deutschlands aendere.

  • JG
    Jürgen Gojny

    Die Beziehungen zwischen Polen und NS-Deutschland waren bis Anfang 1939 so ausgezeichnet, daß der spätere westdeutsche KPD-Führer Max Reimann bei seinem Grenzübertritt von der Tschechoslowakei nach Polen im Jahre 1938 festgenommen und von den polnischen Behörden an die Gestapo ausgeliefert wurde, was für den Betroffenen Haft in Dortmund und Hamm sowie schließlich Gefangenschaft im KZ Sachsenhausen bis 1945 nach sich zog.

  • C
    Celsus

    Ein Satz soll die Karriere und die Lebensleistung dieser Frau beendet haben? Das sehe ich anders. Es gab schon sehr vieles, was der sozialen Költe diente und aus dem Mund dieser Frau kam. Udn erst jetzt hat sie die Kritik eingeholt, die derartiges nicht mehr hinnehmen will. Ein Verdienst im übrigen auch der taz, die eben konsequent faschistoide Äußerungen geschickt abgwehrt hat und gute Aufklärungsarbeit leistete. Anständige Menschen müssen dieser Frau aus meiner Sicht keine Tränen hinterherschicken.

     

    Zu dem historischen Faktum: Tatsächlich hat Polen vor Deutschland mobil gemacht. Und das war eine Abschreckungspolitik, die eben nicht gegen ein friedliebendes und Menschenrechte achtendes Deutschland gerichtet war. Allerdings gab es doch historisch die Deutung als Verteidigung Deutschlands. Das ist falsch. Es sind aber Thesen, die bei der faschistoiden Herkunft des Bundes der Vertriebenen dort nicht als abwegig angesehen werden. Das nur als konservatives Profil zu bezeichnen, gibt der Wahrheit nicht die ganze Ehre.

     

    Zudem brauchen die eigentlich keine neue Partei. Leute wie Steinbach könnten sich doch gleich der NPD oder den Republikanern anschließen. Es sei denn die wollen nach Fusionen wieder ganz oben stehen. Das macht dann Sinn für den weiteren Ehrgeiz solcher Personen.

  • G
    GonZoo

    Die von der lieben Erika in die Diskussion gebrachte Idee einer Partei rechts von der Union begeistert mich, denn es hätte viele Vorteile:

     

    1. Diese Leute müßten sich nicht mehr hinter dem Unionskonsens verstecken, die anschließende Selbstentlarvung wäre grandios.

     

    2. Man wüßte anhand der Kandidatenliste endlich, wer die Salonfaschisten und Quotennazis der Union waren.

     

    3. Die Union mit ihrer Lobbyistenbedienungspolitik anschließend wäre Geschichte, denn viele Stammwähler, die ultrarechten Halbnazis, wären weg.

     

    4. Die Leute vom Verfassungsschutz hätten eine neue, sinnvolle Aufgabe.

     

    5. Eine rechtsradikale Partei, die noch nicht von den Schlapphüten unterwandert wurde, könnte man problemlos verbieten.

     

    Also, Frau Steinbach, wohlauf, stoßt ins Horn, auf geht's in den braunen Abgrund!

  • T
    Torsten

    Der Darlegung der historischen Fakten ist wenig hinzuzufügen. Die Kritik an Steinbach ist dennoch berechtigt, da sie in der Verteidigung ihrer beiden Parteikollegen genau diese Fakten ausgeblendet und den Eindruck erweckt hat, sie stütze die Ansicht, der deutsche Angriff auf Polen sei eine Präventivmaßnahme gewesen.

    Die Grube, in die sie jetzt fällt, ist eine selbst gegrabene. Steinbach hätte nach den Ereignissen der Vergangenheit reflektieren müssen, dass sie in polnischer und deutscher Öffentlichkeit als Revanchistin und Scharfmacherin gilt. Entsprechend wäre eine Äußerung sinnvoll gewesen, in der die polnische Mobilmachung eindeutig in den zeitgeschichtlichen Kontext gestellt wird. Stattdessen hat sie sich erneut in die Schusslinie begeben und muss nun folgerichtig ihre mediale Demontage über sich ergehen lassen.

  • A
    Amsel

    Ich werde nie verstehen, warum diesem obskuren Verein eine solche politische Bedeutung/eine solche mediale Beachtung zuteil wird. Ich werde auch nie die Motive der Frau Steinbach nachvollziehen können. Was wollen die eigentlich? Geht doch zurück! Ich bin Kind eines "Vertriebenen" (bewusst in Anführungszeichen gesetzt). Und niemals hab ich in der Verwandtschaft ein Bedauern über den "Verlust" einer "Heimat" gehört, die, wie in unserem Fall (genau wie bei der Familie von Frau Steinbach) nur besetzt/zwangsdeutsch besiedelt worden ist (Pommern). Was wollt ihr??? Maoam?

  • V
    vic

    Ich halte das für eine gute Idee:

    Die Krawallschachtel Steinbach als Vorsitzende einer neuen Rechtspartei.

    Diese Partei wäre vom ersten Tag an zum Scheitern verurteilt.

  • W
    Wim

    So ist es! Guter Journalismus präsentiert Fakten und entlarvt die Ahnungslosen oder

    Böswilligen, gleich welcher Couleur. Weiter so TAZ!

  • D
    dubidu

    Frau Steinbach hat die Kriegsschuld Hitlers doch garnicht in Abrede gestellt. Allerdings ist es doch wohl so, dass Polen tatsächlich bereits im März 1939 mobilisiert hat und eine 3/4 Million einberufen hat.

    Hatte sich übrigens Polen nicht auch aktiv an der Zerschlagung des tschechischen Staates beteiligt, indem es ebenfalls Gebiete annektiert hatte, oder bin ich da falsch informiert?

  • S
    SuperKnilch

    Die CDU hat Angst, dass sie mit der Entstehung einer rechten Partei, die sich aus ihren Reihen heraus gründet, auf Jahre bis Jahrzehnte hinaus nicht mehr an die Regierung kommt. Deshalb versuchen Bosbach und Kauder Steinbachs Lapsus auch über die Grenzen der Logik hinaus kleinzureden. Und mit Lapsus meine ich hier, dass Steinbach endlich mal gezeigt hat, was sie wirklich denkt:

     

    "Viele Unions-Abgeordnete lebten konservative Werte. 'Aber nach außen werden sie verschleiert, verbrämt, nicht ausgesprochen', sagte sie."

     

    Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/rueckzug-von-steinbach-potenzial-fuer-eine-neue-partei-am-rechten-rand-1.998596

     

    Ist es jetzt weit hergeholt, das als die Beschreibung ihrer eigenen Verstellungen in ihrer Rolle als "Versöhnerin" zu werten? Und unter "konservative Werte" versteht Frau Steinbach wiederum wohl Revanchismus und Revisionismus, denn nichts anderes sind die kruden Thesen der von ihr verteidigten Herren Tölg und Saenger.

     

    Vielleicht wäre es sogar gut, wenn die rechtsextremistischen Ideen aus der Mitte der Gesellschaft endlich mal ausgesprochen würden und sich diejenigen die diesen nachhängen offen in einer Partei zusammentäten. Damit könnte man evtl. einfacher umgehen, als mit verkniffenen, latenten Rassismen und verschrobenen Geschichtsbildern von Zeitgenossen, die sich in ihren paranoiden Gespinnsten von der Gedankenpolizei der "Gutmenschen" verfolgt wähnen.

  • H
    Hartmuk

    Würden die Fakten, wie im Artikel, so immer dargestellt, würde das allen 'Giftmischern' schnell den Boden entziehen. Problematisch finde ich es, dass dies häufig als so eine Art Geheimwissen behandelt wird, nach dem Motto "Wer über die polnische Politik in der Zwischenkriegszeit auch nur nachdenkt, ist ein Revanchist und relativiert die deutsche Schuld am Krieg". Das öffnet Legendenbildungen Tür und Tor.

     

    Dabei lässt es sich doch einfach zusammenfassen: Hitlers Absicht war die Eroberung und Versklavung des Ostens, er wartete nur auf eine günstige politische Situation. Dazu kamen ihm die deutsch-polnischen Spannungen gerade recht. Unter anderen Umständen hätte er sich vielleicht mit Polen zusammengetan und die SU angegriffen statt D + SU gegen Polen(es gab wohl auch dazu Pläne).

     

    Dass es Nazideutschland nicht um den Schutz der deutschen Minderheit ging oder um die Sicherung der Verbindung nach Danzig/Ostpreussen- wie es damals behauptet wurde, auch um die Unterstützung der deutschen Bevölkerung zu gewinnen - beweist am besten die Führung des Krieges als Vernichtungskrieg gegen die polnische Bevölkerung.

     

    Man sollte halt auch über dieses Kapitel der Geschichte informieren und es nicht aus falschverstandener Sorge 'verheimlichen'. Ausserdem lässt sich einiges darüber lernen, wie Diktatoren (vielleicht nicht nur diese?) politische Spannungen ausnutzen und eskalieren, um ihre Ziele zu verfolgen. Und ein weiterer Grund, um die Einigung Europas weiterzutreiben, damit das alles wirklich bald Geschichte wird.

  • TS
    Thomas Sch.

    Soweit mir bekannt ist, wurde die ursprünglich schon immer deutsche Stadt Danzig nach dem ersten Weltkrieg unter Völkerbundmandat gestellt und später sollte entschieden werden. Die Polen haben sich die Stadt aber unter den Nagel gerissen. Außerdem hat sich Polen völkerrechtswidrig Westpreußen und Posen angeeignet. Auch Gebiete, die mehrheitlich deutsch waren. Diese historischen Fakten kann jeder historisch Interessierte aus jedem Geschichtsbuch leicht entnehmen. Es ist ja verständlich, daß die Polen das natürlich nicht so gern an die große Glocke gehangen sehen. Daß die Polen ihre Minderheiten ganz, ganz schlecht behandelt haben, ist auch Fakt. Dieses alles ändert natürlich nichts an der Tatsache, daß der Verrückte Hitler Polen angegriffen hat und damit den zweiten Weltkrieg auslöste. Nur, warum soll man denn nicht bennen dürfen, daß auch Andere ihre Leichen im Keller haben ?

  • T
    Tanja

    "Hieraus aber eine aggressive Kriegspolitik Polens gegenüber Nazideutschland ableiten zu wollen entbehrt jeder historischen Grundlage."

     

    Das ist doch in keinster Weise geschehen!!!

    Frau Steinbach hat doch nur gesagt, dass Polen bereits im März mobil gemacht hat. Und das war doch auch so. Ich kann diesen Aufschrei nicht ganz nachvollziehen.

  • IE
    Im Ernst

    Den Herrn Bosbach muss man nicht

    ernst nehmen. er meldet sich halt

    gern zu Wort. Egal, worum es geht.

  • W
    Wladimir

    Historisch gibt es in dieser Frage durchaus einige Ungereimtheiten, die isoliert betrachtet werden können, ohne die grausame Einmaligkeit der NS-Diktatur in Frage zu stellen. So sei hinzugefügt, daß Polen keineswegs eine lupenreine Demokratie war, in den zwanziger Jahren eine Mussolini-ähnliche Diktatur aufwies, mehrmals militärisch aggressiv augtrat; so gegen die Sowjetunion und auch gegen die Tschechoslowakei, deren Grenzen Polen 1938 zeitgleich mit Hitlerdeutschland überschritt. Auch die Bewertung daß Polen zum Vasallenstaat des NS-regimes verkommen wäre, wenn es eine Autobahn über sein Territorium genehmigt hätte, womit Ostpreussen verkehrstechnisch hätte angebunden werden können, ist etwas weit hergeholt. Gerade wenn die Nachbarschaft zu einem faschistischen Terrorregime wie dem deutschen Reich besteht, welches voll auf die militärische Karte setzt, wäre eine Art "appeasement" durchaus angemessen gewesen. Mit Verhandlungsgeschick hätte auch die Danzig-Frage geklärt werden können, z.B. über eine Volksabstimmung, welche vermutlich aber im Ergebnis für einen Anschluss an das deutsche Reich ausgegangen wäre. Die polnische Führung schätzte sich hingegen offenkundig militärisch stärker ein als sie war und setzte statt Verhandlungen auf Konfrontation. Das ist ein historisches Faktum, welches IMHO gegenwärtig viel zu verkürzt beleuchtet wird. Etwas mehr Gelassenheit und Sachlichkeit in der Debatte wäre durchaus angemessen, zumal es sich nicht um eine Relativierung der deutschen Kriegsschuld oder gar des Holocaust handelt.

  • SB
    Schweizer Bürger

    Polen war in der Zeit bis 1939 kein Unschuldslamm

     

    Die neuentstandene Republik von 1919 war keineswegs ein Unschuldslamm. (der Ausspruch Hyänenstaat stammt von Nobelpreisträger W. Churchill). In ihrer 20 jährigen Existens führte sie zahlreiche Kriege ( Polnisch-Ukrainischer Krieg, Großpolnischer Aufstand, Polnisch-Litauischer Krieg, Aufstände in Oberschlesien und Tschechoslowakisch-polnische Grenzkonflikte).

     

    Hier sei nur an das Olsagebiet (Teschener Schlesien) erinnert:

     

    Am 30. September 1938, nach dem Abschluss des Münchner Abkommens, stellte Polen ein Rückgabeultimatum, das am 1. Oktober ablief, und konzentrierte Kräfte an der Grenze unter General Władysław Bortnowski. Zusätzlich wurde in Kattowitz die Legion Zaolziański gegründet. Die tschechoslowakische Regierung gab nach und zwischen dem 2. und dem 11. Oktober 1938 besetzten polnische Truppen Zaolzie.

     

    Polen war nicht das Unschuldslamm, als das es sich gerne sieht. Aber scheinbar wird das in deutschen Schulen heute nicht mehr gelernt.

  • R
    rugero

    Erstaunlich wie lange sich diese für Deutschland so peinliche Person in politischen Funktionen halten kann.

     

    Das deutsch-polnische Verhältnis wird doch durch Menschen wie Frau Steinbach immer wieder neu belastet. Das darf eine Bundesregierung nicht zulassen.

  • N
    Nobilitatis

    Ich empfehle jedem, sich ein wenig mit der Geschichte Polens zwischen den Weltkriegen zu beschäftigen, statt alles zu schlucken, was in der taz steht.

  • D
    Denninger

    Pardon, Christian, die "historischen Fakten" sind in der Tat "eindeutig" und entsprechen der Äußerung Steinbachs.

    Deine These, dass die Mobilmachung "zu Recht" erfolgte ist eine Interpretation der damaligen Situation.

    Falls Du es noch nicht bemerkt hast:

    Unsere Politiker wollen die Vertriebenenverbände im Allgemeinen und Frau Steinbach im Besonderen loswerden.

    Der Grund ist einfach. Sie erinnern an ein unbewältigtes Kapitel europäischer Geschichte, die Vertreibung von ca. 12 Millionen Menschen.

    Nein, die waren nicht pauschal "selbst schuld" weil sie ja "Deutsche waren".

    "Aussöhnung" bedeutet in diesem Kontext doch nur, die Vertriebenen sollten endlich still sein.

  • V
    vic

    Schönen Dank, dass hier mal die historischen Fakten zu Wort kommen.

    Steinbach-Anhänger scheinen die vergessen zu haben.

  • A
    Anneliese

    Frau Steinbach war nie tragbar, jetzt ist sie definitiv zu weit gegangen.

     

    Warum man diese Frau so lange hat agitieren lassen, völlig unverständlich. Andere wurden wegen weit geringerer Aussagen von der Bildfläche verbannt.

  • R
    robert48

    Zu Frau Steinbach paßt das Zitat: einmal Faschist - immer Faschist !

  • S
    systemix

    Es ist erschreckend, auf welches Niveau Zeitgenossen, die sogar öffentliche Funktionen wahrnehmen, absinken können. Das ist also Sarrazins Elite. Ein Haufen von ungebildeten Karrieristen, die nicht einmal über einfache Geschichtskenntnisse verfügen. Sollte die Frau Steinbach allerdings wider besseren Wissens diese Behauptungen aufstellen, so ist sie eine primitive Geschichtsfälscherin.

     

    Im "Spiegel" gab SS Sturmbannführer Alfred Naujocks ein ausführliches Interview zu dem "Überfall auf den Sender Leipzig". Dieser vielfache Mörder lebte, wie in der BRD allgemein üblich, völlig unbehelligt als Geschäftsmann in Hamburg, bis er 1966 verstarb. Unter anderem ermordete er Rolf Formis, den ehemaligen Sendetechniker des Senders Stuttgart, der im tschechischen Exil einen Anti-Nazi-Sender betrieb. Diese Aktion fand bereits vor der Besetzung der Tschechei statt. Alfred Naujocks war eine verkrachte Existenz und deshalb für solche Aufgaben seitens des RSHA ausgewählt worden.

     

    Der besagte "Überfall auf den Sender Gleiwitz", wo man KZ-Häftlinge in polnische Uniformen steckte um sie als erschossene polnische Soldaten zurückzulassen, wurde von ihm durchgeführt. In dem besagten Spiegel-Interview äußerte er sich dahingehend, dass es eine "hochpolitische" Angelegenheit war.

     

    Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde Naujocks von britischen Militärbehörden wegen Geiselerschießungen im besetzten Dänemark zum Tode verurteilt. Naujocks gelang die Flucht und so konnte er dann sein Nachkriegsleben genießen.

     

    Der Fall "Steinbach" erscheint mir auch hochpolitisch zu sein. Immerhin sagt es auch etwas über den Geisteszustand der CDU aus, wenn solche geistigen Flachprodukte sich in den Reihen der Union heimisch fühlen dürfen. Man gewinnt den Eindruck, dass das ganze Gerede von Bildungsoffensive bei der CDU eher einem Schwadronieren eines Blinden über Farben gleicht.