■ SPD inszeniert Harmonie: Feigenblatt Reform
Ditmar Staffelt konnte nach dem zweitägigen SPD-Marathon mit seiner Regie zufrieden sein. Die traditionell zerstrittenen Berliner Sozialdemokraten zelebrierten nach außen Geschlossenheit und machten artig ihre Hausaufgaben. Staffelts Lieblingskind, die Parteireform, wurde trotz Flügelschlagens im Vorfeld verabschiedet, der Landesverband kann sich einen Pionierorden an die Brust heften – ungeachtet der Tatsache, daß die Hauptstädter beim Mitgliedervotum über den Parteivorsitz mit nur 36 Prozent Beteiligung das Schlußlicht bildeten. Wichtige stadtpolitische Themen wie der Sparhaushalt, der Streit um das Schiller Theater und die Akademie wurden jedoch allenfalls am Rande verhandelt – durchaus erwünscht in der Parteitagsregie. Man beschränkte sich statt dessen auf Konsensthemen wie Innere Sicherheit, obwohl auch dort ein eigenes Konzept nur in Konturen zu erkennen ist. Die grassierende Unzufriedenheit über die Große Koalition wurde nur einmal deutlich formuliert: Wenn die CDU weiter eine so inhumane Ausländerpolitik betreibe, müsse man die Koalitionsfrage stellen — eine folgenlose Befriedung des murrenden Fußvolkes. Doch die inszenierte Harmonie kann auch Staffelt nicht darüber hinwegtäuschen, in welchem Dilemma sich die SPD befindet. In der Koalition sind ihr die Hände gebunden, eine rechnerische Alternative bei Neuwahlen gibt es nicht, und trotz ihrer Zerstrittenheit steht die CDU in der Öffentlichkeit besser da. Der Verlust sozialdemokratischer Identität schlägt in der Großen Koalition zu Zeiten allgemeiner Parteienverdrossenheit noch stärker zu Buche. Daran ändert auch das Feigenblättchen Basisdemokratie nichts. Kordula Doerfler
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen