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SPD gegen „Kriegsautomatismus“

■ 500 Professoren wenden sich an Bush/ Euro-ParlamentarierInnen fordern Verhandlungslösung

Bonn (taz) — Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzen, auch nach dem Ablauf des UNO-Ultimatums am 15. Januar den Rückzug des Iraks durch die „lückenlose Anwendung und weitere Verschärfung des Embargos“ und nicht durch militärische Gewalt durchzusetzen. Die SPD- Bundestagsfraktion, die einen entsprechenden Beschluß im Bundestag durchsetzen will, wendet sich gegen jeden „militärischen Automatismus“ nach Ablauf des Ultimatums. Ein kriegerisches Vorgehen würde eine unabsehbare Zahl von Opfern fordern und weltweite politische, wirtschaftliche und ökologische Auswirkungen haben.

Darüber hinaus solle die Bundesregierung sich im Rahmen der EG für Gespräche ohne Vorbedingungen mit dem Irak einsetzen. Die Hemmschwelle zur kriegerischen Entwicklung dürfe nicht weiter sinken, erklärte der Abgeordnete Gansel. Ein konsequent angewendetes Embargo ist nach seiner Überzeugung in der Lage, den Irak zum Rückzug zu zwingen. Dies brauche allerdings weit mehr Zeit, als gegenwärtig zur Verfügung steht. Gansel warf der Bundesregierung zugleich vor, das Embargo unzureichend durchzusetzen.

Sie habe nicht alles getan, die Tätigkeit und Hilfe deutscher Unternehmen für den Irak zu unterbinden. Jeder Embargoverstoß bringe die Welt einem Krieg näher. Deshalb müsse dies sofort durch den Staatsanwalt verfolgt werden, statt die Firmen durch einen vorherigen Anruf der Zollbehörde auch noch vorzuwarnen. gn

Professoren protestieren

500 deutsche Professorinnen und Professoren haben am Donnerstag an den Präsidenten und den Kongreß der USA appelliert, keinen Krieg gegen den Irak zu führen. In Washington wurde der Friedensappell von dem Gießener Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter im Weißen Haus übergeben. Ernst Ulrich von Weizsäcker überbrachte das Papier der amerikanischen Botschaft in Bonn. Die Unterzeichner verurteilen „auf das Entschiedenste Aggression und Bruch des internationalen Rechts durch das irakische Regime.“ Dessen Verbrechen dürften allerdings „nicht durch einen Krieg, der in seinen Ausmaßen ein Verbrechen von vielfacher Größenordnung wäre“ beantwortet werden. Krieg bedeute „einen Rückfall in militärisches Machtdenken“. Dieses habe die Menschheit bisher daran gehindert, „Massenelend und tödliche Umweltgefahren“ zu bekämpfen. Statt es mit militärischen Mitteln zu versuchen, sollten die USA gemeinsam mit den Vereinten Nationen eine politische Lösung der Krise anstreben.

Die deutschen ProfessorInnen sehen eine große Chance darin, daß der Ost-West-Konflikt überwunden ist: Nun habe die Weltgemeinschaft der Völker erstmalig die Macht, „Aggressoren durch einträchtige Sanktionen in die Schranken zu weisen“. Es sei daher ausgeschlossen, daß Saddam Hussein über längere Zeit dem Druck der von der UNO beschlossenen Wirtschaftsblockade widerstehen könne. Auch biete sich durch die friedliche Lösung der Golfkrise eine Chance, den Friedensprozeß im gesamten Mittleren Osten zu fördern. Die USA sollten möglichst bald die Initiative für eine Mittelost- Friedenskonferenz ergreifen. Grundsätzlich wenden sich die Wissenschaftler an die USA, da „der Irak im Augenblick kein gesprächsfähiger Partner ist“ und sie von den Amerikanern Verständnis für ihre Argumente erwarten. Stephan Enders

Frauen für den Frieden

Ebenfalls in einer Erklärung an die Öffentlichkeit plädieren 22 Frauen aus dem Europaparlament und dem Bundestag, unter anderem Eva Quistrop und Heidi Wieczorek- Zeul, für eine friedliche Lösung am Golf. Sie rufen zu einer Intensivierung der Verhandlungen auf und formulieren ihre Erwartung an alle beteiligten politischen und ökonomischen Gruppen, sich für eine friedliche Lösung als einziger zivilisierter Zukunftsperspektive einzusetzen.

Zu diesem Zweck unterstützen die Frauen eine internationale Nahostkonferenz.

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