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SPD-Veteran Bahr über Steinmeier"Bloß nicht anfangen zu wackeln"

Der ehemalige Vertraute Willy Brandts Egon Bahr über Chancen im Bundestagswahlkampf, Regierungsoptionen und sein Engagement für die Partei.

Zwei Generationen: Steinmeier und Bahr. Bild: dpa
Interview von Gordon Repinski

VON GORDON REPINSKI taz: Herr Bahr, bei der SPD-Wahlinitiative "Erfahrung packt an" finden sich eine Menge ehemalige Abgeordnete und Minister - intellektuelle Unterstützer wie Günter Grass fehlen aber. Konnte die SPD früher besser mobilisieren?

Egon Bahr: Die Initiative und auch die Erstwählerinitiative ist erst der Anfang. Zu meiner Zeit haben sich die Intellektuellen oft erst wenige Wochen vor der Wahl gesammelt, um für die SPD einzutreten. Das kann auch dieses Mal wieder passieren. Letztlich muss jeder in seiner Szene das Möglichste tun.

Was wollen Sie tun? Wollen Sie gemeinsam mit Steinmeier auftreten?

Das habe ich noch nicht geplant. Ich werde versuchen, mein konzeptionelles Denken einzubringen, besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik. Aber dieser Bereich steht nicht im Mittelpunkt der Entscheidung vom 27. September.

Kann sich Egon Bahr, der mit Willy Brandt Politik gemacht hat, für den Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier begeistern?

Ja. Ohne jede Einschränkung. Er ist für die Zeit der richtige Mann, weil er klar und nicht vieldeutig ist. Nüchternheit ist gut. Populisten braucht das Land jetzt nicht.

Trotzdem gehen Steinmeiers Beliebtheitswerte Woche für Woche mehr in den Keller. Was muss er anders machen ?

Nichts. Er darf nicht versuchen, sein Image zu ändern. Er darf nicht vor sich und seinen Stärken weglaufen. Steinmeier muss sich Zeit nehmen und seinen Weg durchziehen. Bloß nicht anfangen zu wackeln.

Versteht die Bevölkerung ihn nicht?

Vielleicht. Aber es ist ja auch nicht einfach. Die Ost-Politik von Willy Brandt und mir war zu Beginn auch nicht populär. Aber wenn man eine Position hat und von ihrer Richtigkeit überzeugt ist, dann muss man sie durchziehen.

Welches ist denn das Thema, mit dem die SPD den Wahlkampf noch für sich drehen kann?

Arbeit, Bildung, Integration, Jugend und Steinmeiers Außenpolitik. Das sind die Stärken der SPD. Welches das Gewinnerthema ist, wird sich später herausstellen. Das hängt auch vom politischen Gegner ab. Aber nach ihren Erfahrungen von 2005 ist Angela Merkel stromlinienförmig und schafft keine Luftwirbel.

Sie gelten nicht als Freund einer Großen Koalition. Wie soll die SPD sonst regieren, wenn nicht in dieser Konstellation ?

Für die dauerhafte Stabilität unseres Landes wäre es gut, wenn sich die Volksparteien mit kleineren Partnern abwechseln. Deshalb haben wir mit dem Hamburger Programm ein Profil zur Abgrenzung zur Union beschlossen.Trotzdem kann sich sehen lassen, was die Große Koalition geschafft hat. Aber am Ende entscheidet der Wähler.

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8 Kommentare

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  • N
    Nadi

    Ich denke, dass Bahr recht hat: Die SPD sollte nicht wackeln, weil sie dann in der tat noch mehr verlieren wird. Außerdem ist es ausgeschlossen, tiefes Misstrauen in der verdichteten Atmosphäre eines Wahlkampfes wieder zu gewinnen.

    Die SPD hat sich da ein schönes Dilemma kreiert: Die Partei hat zu viel Vertrauen verloren und ihr fehlt ein klares, positives Profil im Kontrast mit CDU/CSU, FDP, den Linken und den Grünen. Während die anderen Parteien einen Kern aus Ideologie, sozialen Milieus und Personen anbieten, schlittert die SPD übers Eis wie ein heißer Kohlebrikett: Die Partei ist weder sozial, noch liberal, weder für Arbeitnehmer, noch für Arbeitgeber, weder für Umweltschutz, noch für massive Industrieanlagen, sie ist weder für Frieden, noch für Krieg, sie steht irgendwo im Nebehl der Berliner Politik ... und da muss sie sogar bleiben, weil ein Strategiewechsel bei dieser Ausgangslage Selbstmord auf der Bühne ist.

    Und das transportiert Bahr sogar selber, denn die taz fragt nach einem Thema, Bahr nennt gleich mehrere und weiß ganz offentslichlich auch keine Lösung mehr.

    Ich denke, dass die SPD im Herbst in ihre schwerste Krise geht und gehen muss, weil sie sich mit ihrem innersten Kern, mit Arbeit, Soziales und Familie beschäftigen muss. Ganz offenbar spricht die SPD nicht mehr Arbeitnehmer, Familien, Arme, Studenten und Sozial-Liberale an.

    Für Steinmeier heißt das, sich weiter als Strahlemann gerieren, aber nach neuen Job- und Beschäftigungsmöglichkeiten suchen.

    Dass er nach dem Herbst innerhalb der SPD eine Rolle spielen kann, bezweifele ich. Wenn er Größe zeigen will, bereitet er sich jetzt auf das Ende seiner politischen Karriere vor und erspart seiner Partei und der Öffentlichkeit jede Peinlichkeit - damit wäre er wenigstens ein Mal anders als sein Mentor und Spriritus Rector Gehard Schröder. (Der könnte ja schon den passenden Job in der Schublade für ihn haben...)

  • A
    ast61

    Geehrter Herr Bahr, Herr Steinmeier, SPD:

    Hartz IV...noch Fragen?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wer Egon Bahr kennt weiß: Noch wichtiger ist, was er nicht sagt.Er ahnt, dass sich die SPD in einer weiteren Großen Koalition kleinteilig zerlegen wird. Profilschärfe kann sie nur in der Oposition gewinnen. Wer Steinmeier aufstellt und das ganze auch noch so verteidigt, will keine Wahl gewinnen. Der alte Fuchs weiß, dass seine SPD nur so gerettet werden kann.

  • MD
    Maximale Delle

    Bloß nicht wackeln. Genau. Wer stocksteif auf die Schnauze fliegt, dellt sich diese maximal ein. Super Rat, Egon.

  • N
    Nadi

    Ich denke, dass Bahr recht hat: Die SPD sollte nicht wackeln, weil sie dann in der tat noch mehr verlieren wird. Außerdem ist es ausgeschlossen, tiefes Misstrauen in der verdichteten Atmosphäre eines Wahlkampfes wieder zu gewinnen.

    Die SPD hat sich da ein schönes Dilemma kreiert: Die Partei hat zu viel Vertrauen verloren und ihr fehlt ein klares, positives Profil im Kontrast mit CDU/CSU, FDP, den Linken und den Grünen. Während die anderen Parteien einen Kern aus Ideologie, sozialen Milieus und Personen anbieten, schlittert die SPD übers Eis wie ein heißer Kohlebrikett: Die Partei ist weder sozial, noch liberal, weder für Arbeitnehmer, noch für Arbeitgeber, weder für Umweltschutz, noch für massive Industrieanlagen, sie ist weder für Frieden, noch für Krieg, sie steht irgendwo im Nebehl der Berliner Politik ... und da muss sie sogar bleiben, weil ein Strategiewechsel bei dieser Ausgangslage Selbstmord auf der Bühne ist.

    Und das transportiert Bahr sogar selber, denn die taz fragt nach einem Thema, Bahr nennt gleich mehrere und weiß ganz offentslichlich auch keine Lösung mehr.

    Ich denke, dass die SPD im Herbst in ihre schwerste Krise geht und gehen muss, weil sie sich mit ihrem innersten Kern, mit Arbeit, Soziales und Familie beschäftigen muss. Ganz offenbar spricht die SPD nicht mehr Arbeitnehmer, Familien, Arme, Studenten und Sozial-Liberale an.

    Für Steinmeier heißt das, sich weiter als Strahlemann gerieren, aber nach neuen Job- und Beschäftigungsmöglichkeiten suchen.

    Dass er nach dem Herbst innerhalb der SPD eine Rolle spielen kann, bezweifele ich. Wenn er Größe zeigen will, bereitet er sich jetzt auf das Ende seiner politischen Karriere vor und erspart seiner Partei und der Öffentlichkeit jede Peinlichkeit - damit wäre er wenigstens ein Mal anders als sein Mentor und Spriritus Rector Gehard Schröder. (Der könnte ja schon den passenden Job in der Schublade für ihn haben...)

  • A
    ast61

    Geehrter Herr Bahr, Herr Steinmeier, SPD:

    Hartz IV...noch Fragen?

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wer Egon Bahr kennt weiß: Noch wichtiger ist, was er nicht sagt.Er ahnt, dass sich die SPD in einer weiteren Großen Koalition kleinteilig zerlegen wird. Profilschärfe kann sie nur in der Oposition gewinnen. Wer Steinmeier aufstellt und das ganze auch noch so verteidigt, will keine Wahl gewinnen. Der alte Fuchs weiß, dass seine SPD nur so gerettet werden kann.

  • MD
    Maximale Delle

    Bloß nicht wackeln. Genau. Wer stocksteif auf die Schnauze fliegt, dellt sich diese maximal ein. Super Rat, Egon.