SPD-Mann Binding über liberale Steuerpläne: "Die FDP will die totale Entgrenzung"
Das FDP-Modell werde Firmen erlauben, Steuern dort zu zahlen, wo Tarife am niedrigsten sind, sagt der SPD-Finanzexperte Binding. Dem Staat würden Milliardeneinnahmen entgehen.
taz: Herr Binding, die FDP will auf ihrem Parteitag am Wochenende beschließen, eine "Gruppenbesteuerung" bei Unternehmen einzuführen. Was würde dies für den Staat bedeuten?
Lothar Binding: Mutter- und Tochterfirmen könnten ihre Gewinne und Verluste grenzüberschreitend verrechnen. Die Gewinne würden dann in jene Länder gelenkt, wo die niedrigsten Steuertarife gelten. Die Unternehmen würden also Milliarden geschenkt bekommen - bei der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und vermutlich auch bei der Umsatzsteuer.
Was heißt das konkret?
Lothar Binding, 60, ist SPD-Bundestagsabgeordneter. Zu den Schwerpunkten des Finanzexperten gehören die Unternehmensteuern. Ansonsten kämpft der passionierte Nichtraucher gegen die Tabakindustrie.
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Der FPD-Antrag ist sehr vage. Es ist überhaupt nicht klar, auf welche Steuerarten er sich bezieht. Aber nehmen Sie die Körperschaftsteuer, die Aktiengesellschaften und GmbHs bezahlen müssen. Sie soll 2010 rund 7,2 Milliarden Euro einbringen. Davon würde ein großer Teil wegbrechen, wenn die Firmen ihre Verluste und Gewinne beliebig hin und her schieben könnten.
Die FDP verweist darauf, dass es die Gruppenbesteuerung in Österreich schon gibt.
Und dort sind die Steuern dramatisch weggebrochen. Nehmen Sie die Bank Austria: Sie hat einen Milliardengewinn erzielt - und Österreich erhält überhaupt keine Steuern mehr. Deswegen wird in Österreich bereits diskutiert, ob man die Gruppenbesteuerung wieder abschafft.
Gruppenbesteuerung gab es schon zu SPD-Zeiten. Warum regen Sie sich über die FDP auf?
Wir haben die Organschaft, eine Art inländische Gruppenbesteuerung, sehr stark beschränkt. Organschaften sollten vor allem bei kommunalen Unternehmen gelten - damit profitable Stadtwerke den defizitären Nahverkehr quersubventionieren konnten. Die FDP hingegen will die totale Entgrenzung. Es soll nicht nur erlaubt sein, Verluste aus dem Ausland zu verrechnen - auch im Inland ist überhaupt nicht klar, wo das Steuerkarussell endet. Wenn eine Tochterfirma ihre Gewinne mit der Mutter verrechnen darf - was ist dann mit den Enkel- und Urenkelbetrieben? Man könnte immer neue Firmen international ineinanderschachteln, um die Steuerzahlung zu optimieren. Zur Reichweite steht nichts im FDP-Antrag.
Warum sind Sie dann so misstrauisch?
Weil eine klare Kontinuität bei der FDP zu erkennen ist. Schon zum 1. Januar 2010 hat Schwarz-Gelb die Unternehmen um etwa 2,5 Milliarden Euro entlastet. Besonders teuer für den Staat war die vereinfachte "Funktionsverlagerung" ins Ausland. Nur ein Beispiel: Eine Forschungsabteilung kann jetzt über die Grenze verlagert werden, kurz bevor das Patent angemeldet wird. Die Forschungskosten wurden bei den hiesigen Finanzämtern geltend gemacht - aber der Gewinn fällt dann im Ausland an. In dieses Muster passt auch die Gruppenbesteuerung.
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