SPD-Fraktionsvize über Parteipläne: "Wir wollen die Linkspartei verdrängen"
Gerechtere Bildungschancen, gerechtere Gesundheitsversorgung und Mindestlohn - diese Projekte muss die SPD der Linkspartei entgegensetzen, sagt der SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann.
taz: Herr Oppermann, ist Ihre hessische Parteifreundin Andrea Ypsilanti ein Glücksfall für die SPD?
Thomas Oppermann: Ich wünsche ihr in der schwierigen Lage, in der sie ist, das nötige Glück.
THOMAS OPPERMANN, 54, hinter Peter Struck die Nummer zwei an der Spitze der SPD-Fraktion im Bundestag.
Und das braucht Sie?
Ja, denn eine Minderheitsregierung mithilfe der Linkspartei ist ein Risiko. Sie setzt auf Zusammenarbeit mit einer Partei, die selbst keine Verantwortung übernimmt.
Also wäre eine Koalition mit der Linkspartei klüger?
Was in Hessen klug ist, wissen die Sozialdemokraten dort am besten.
Dort unterstützt die SPD-Rechte Ypsilanti. Verstehen Sie das?
Roland Koch macht dort eine Politik der verbrannten Erde. Eine Koalition mit ihm ist offensichtlich nicht vorstellbar. Deshalb riskiert die SPD in Hessen jetzt geschlossen Ypsilantis Kurs. Im Bund ist die Sache aber völlig anders. Dort wird es, aus finanz-, wirtschafts- und außenpolitischen Gründen, keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei geben.
Bleibt die SPD im Bund beim Fundi-Nein zur Linkspartei, wenn die Tolerierung in Wiesbaden reibungslos läuft?
Sie meinen "fundiertes Nein"! Eine Tolerierung ist keine wirkliche Übernahme von Verantwortung. Es ist für mich nicht vorstellbar, wichtige Entscheidungen für Deutschland davon abhängig zu machen, ob es der Linkspartei gerade gefällt.
Die SPD hat in den Augen vieler Wähler ihren Markenkern soziale Gerechtigkeit verraten. Wie wollen Sie das reparieren?
Indem wir zum Beispiel den Mindestlohn durchsetzen. Wir haben eine Katalog von Maßnahmen gegen Kinderarmut beschlossen. Wir wollen den Rechtsanspruch auf Nachholung eines Hauptschulabschlusses. 500.000 Arbeitslose haben keine Schulabschluss. Wir wollen das Gesundheitssystem mehr über Steuern finanzieren - was gerecht ist, weil dann Besserverdienende mehr zum Gesundheitssystem beitragen werden. Aber wir werden vor allem für Wachstum und Innovation sorgen. Die SPD war stets Partei derjenigen, die etwas leisten wollen.
Und was bietet die SPD den Unterschichten an?
Jedenfalls nicht die populistischen und nicht finanzierbaren Versprechen der Linkspartei, die Menschen in bedrängter Lage immer mehr staatliche Transferleistungen zusagt, aber damit Armut und Abhängigkeit letztlich zementiert. Das ist nicht finanzierbar. Unter den Bedingungen globaler Konkurrenz gibt es nur einen Weg, unser Wohlstandsniveau zu bewahren - nämlich den Königsweg der SPD.
Und der wäre?
Bildung. Bildung ist die Lösung der sozialen Frage im 21. Jahrhundert. Das ist gerade bei uns in Deutschland so, wo Bildungschancen praktisch vererbt werden. Armut überwindet nur, wer schon ganz früh - nämlich im Kindergarten - Bildungschancen bekommt.
Die SPD setzt auf bildungsbereite Leistungsträger. Wäre da nicht eine Arbeitsteilung mit der Linken logisch: eine sozialliberale Aufstiegspartei und eine sozialkonservative für die Globalisierungsverlierer?
Das kann und wird nicht funktionieren, weil die Linkspartei keine neue soziale Idee hat. Sie ist illusionistisch, ohne machbare Lösungen aufzuzeigen. Wir Sozialdemokraten sind das Original. Deshalb wollen wir keine Arbeitsteilung mit der Linkspartei. Wir wollen sie verdrängen.
INTERVIEW: STEFAN REINECKE
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