■ SPD-Chef Staffelt tritt zurück: Letzter Dienst
Ditmar Staffelt ließ sich 48 Stunden Zeit. Dann verkündete der SPD-Fraktions- und Landeschef am gestrigen späten Nachmittag, daß er sämtliche Ämter aufgeben wird. Die Reaktion kam so prompt wie unerwartet. Noch am Samstag hatte die Sozialsenatorin Ingrid Stahmer bestätigt, daß sie am 5. Februar in der Urwahl gegen Staffelt um das Spitzenamt für die Abgeordnetenhauswahl antreten will. Damit war zum ersten Mal der seit langem schwelende innerparteiliche Konflikt um seine Person öffentlich zutage getreten. Nicht erst seit seinem Rückzieher in der Heckelmann-Affäre war das Vertrauen in seine Führungsqualitäten in Frage gestellt worden. Staffelt stand – sehr zum Ärger der SPD-Linken – für den Kitt innerhalb der Großen Koalition. Daß aber auch unter den SPD-Senatoren nun einige Stahmer ermunterten, signalisierte Staffelt zweierlei: Er ist nicht nur mehr unten, sondern auch oben unerwünscht. Da half ihm auch nicht mehr das gute Abschneiden der Sozialdemokraten am 16. Oktober, das die Partei erstmals wieder vor die CDU geschoben hatte. Staffelts Hoffnung, nach Jahren der Fraktionsarbeit die politische Leiter hochzuklettern, verband sich mit einer Spitzenkandidatur gegen den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU).
Doch alle Sympathiewerte, die Meinungsforschungsinstitute in den letzten Monaten vorgelegt hatten, orteten Staffelt am unteren Ende der Skala. Nach seiner Aufgabe ist die Partei eine umstrittene Persönlichkeit los. An der programmatischen Unschärfe der SPD ändert das jedoch nichts. Von Ingrid Stahmer war bislang nicht zu erfahren, ob sie ihre Partei aus der erstickenden Enge der Großen Koalition herausführen möchte. Das verbindet sie im übrigen mit Staffelt, der am Status quo eher weiter herumdokterte als den Hauch eines möglichen Richtungswechsels anzudeuten. Staffelts Rücktritt könnte ein letzter Dienst an seiner Partei sein: offen über ihre inhaltlichen Defizite zu streiten. Severin Weiland
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