SPD-Ärger über Heinz Buschkowsky: Doppelpass ins Nichts
Er kann es nicht lassen. Doch mit seiner Polemik gegen die doppelte Staatsbürgerschaft bringt Heinz Buschkowsky nun die SPD gegen sich auf.
BERLIN taz | Es war eine seiner typischen Provokationen. Doch jetzt hat Heinz Buschkowsky für manche den Bogen überspannt. Führende Sozialdemokraten machen nun Front gegen ihn. „Das ist – mit Verlaub – Unsinn!“, zürnt Guntram Schneider, Arbeits- und Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen und ebenfalls Sozialdemokrat, über Buschkowsky These, der Doppelpass müsse eine Ausnahme bleiben.
„Bei 50 Prozent aller Einbürgerungen in Deutschland wird Mehrstaatigkeit hingenommen. EU-Bürger haben sogar einen Rechtsanspruch auf den Doppelpass“. Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf setzt sich dafür ein, dieses Recht allen Einwanderern zu gewähren. Sie will mehr von ihnen dazu bewegen, sich einbürgern zu lassen.
„Doppelte Staatsbürgerschaft erleichtert Kriminalität“, hatte der bekannteste Bezirksbürgermeister der Republik in seiner regelmäßigen Kolumne für die Bild-Zeitung zudem behauptet und dafür von rechten Blogs viel Beifall erhalten. Buschkowsky bezog sich auf den Fall Jonny K. – jenes Jungen, der im vergangenen Jahr auf dem Berliner Alexanderplatz von einer Gruppe Jugendlicher totgetreten worden war.
Der Hauptverdächtige hat sich in die Türkei abgesetzt und kann nicht ausgeliefert werden, weil er seine deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt haben soll. „Millionen gesetzestreuer Bürger mit einem Straftäter in Sippenhaft zu nehmen ist nicht gerade ehrenhaft“, kritisiert ihn die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Aydan Özoguz dafür.
„Wenn ein Straftäter im Ausland die deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt hat, wird er nicht mehr ohne Weiteres in unser Land einreisen können. Damit entgeht er aber nicht jeglicher Strafverfolgung. Die Türkei hat bereits ein Rechtshilfeersuchen gestellt“, sagt sie zu dem konkreten Fall. Hätte der mutmaßliche Täter nur die türkische Staatsbürgerschaft besessen, läge der Fall zudem kaum anders.
Ende der Parteiräson
Buschkowsky aber fühlt sich von seiner Partei nicht angemessen gewürdigt und lässt keine Gelegenheit aus, sie das spüren zu lassen. Seit Jahren kann er es nicht lassen, über die Integrationspolitik des Berliner SPD-Bürgermeisters Klaus Wowereit zu spotten. Sein Buch „Neukölln ist überall“, mit dem er wochenlang die Bestsellerlisten anführte, dient nicht zuletzt dem Zweck, sich als den besseren Kenner der Kieze hinzustellen.
In der SPD knirscht man zwar mit den Zähnen ob der notorischen Profilierungssucht des Lokalpolitikers. Aber man hat gelernt, die ständigen Querschüsse aus dem Bezirksrathaus in Neukölln zu ertragen, weil man weiß, das Buschkowsky bei vielen Wählern populär ist und weil man es sich nicht mit dem Springer-Konzern verderben will, der seine schützende Hand über ihn hält.
Als Buschkowskys Buch „Neukölln ist Überall“ im vergangenen Jahr erschien, hagelte es aus allen Parteien Kritik an dessen pauschalen Thesen, von den Grünen bis zur CDU. Doch in der SPD hielten viele aus Parteiräson still. Damit aber ist nun Schluss.
Die Parteispitze aber scheut den Konflikt
Ismail Ertug, SPD-Europaparlamentarier, forderte seinen Parteichef Sigmar Gabriel jetzt in einem offenen Brief dazu auf, klar gegen Buschkowsky Position zu beziehen. Nach der „Causa Sarrazin“ habe die SPD bei vielen Migranten an Ansehen verloren. Wenn Buschkowsky jetzt, wie geschehen, pauschal Migranten kriminalisiere, schade er damit dem Ansehen seiner Partei.
Buschkowskys jüngste Breisteite ist nämlich auch ein Schlag ins Gesicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der hatte erst kürzlich öffentlich angekündigt, die Forderung nach einer doppelten Staatsbürgerschaft für alle Einwanderer zu einem Schwerpunkt im anstehenden Wahlkampf zu machen.
Die Parteispitze aber scheut den Konflikt. Auf die freche Frage, ob Buschkowsky in das Schattenkabinett der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl aufgenommen werde, hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel erst am Wochenende in einem Interview mit der Welt am Sonntag ausweichend geantwortet, ein Schattenkabinett zu erstellen sei Sache des Kanzlerkandidaten – also von Peer Steinbrück.
„Heinz Buschkowsky weiß, wie ein Teil des Lebens in Deutschland aussieht. Und anders als Frau Merkel und ihre Regierung wird die SPD die Wirklichkeit in ihrer Politik nicht ausblenden“, fügte er aber hinzu. Zu Buschkowskys Frontalangriff auf den Doppelpass wollte Gabriel sich nun, trotz Anfrage der taz, aber nicht äußern.
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