SPÄTKAUF: DIE TRADITIONELLEN KURZ-VOR-SCHLUSS-TIPPS AUS DER REDAKTION : Warme Hände
Handwärmer-Set „Nie wieder kalte Hände“, an Shell-Tankstellen, 4,69 Euro
Wer sich nur pragmatisch verkappt zur jahreszeitbedingten Kuscheligkeit bekennen kann, wem die selbst umhäkelte Wärmflasche zu gefühlsbetont und der Sauna-Gutschein zu chi-chi ist, dem sei das Handwärmer-Set „Nie wieder kalte Hände“ zur Weitergabe an Herzensnahe empfohlen. Ein famoses koreanisches Importprodukt, rund um die Uhr im Shell-„Select“-Tankstellenshop zu erstehen. Die beiden Plaste-Handwärmer (13 x 9,3 cm), die zunächst an Kühlelemente für schlimme Zähne erinnern, sollten vorm Verschenken aus der wenig Eindruck schindenden Kartonage befreit und in reizvolleres Verpackungsmaterial gehüllt werden. Dabei darauf achten, dass der/die Beschenkte beim Auspacken nicht gleich die Wärmerseite anstarrt, auf der die Bedienungsanleitung aufgedruckt ist – da kommt die Seite, die den Blick freigibt auf die transparente Glitschgallerte im Inneren, geheimnisvoller. In dieser schwimmt nämlich ein wundertätiges Metallplättchen. Das muss man nur ein bisschen hin und her knickeln, schon geht’s los: Mit majestätischer Schönheit scheint die Gallerte radial vom Metallplättchen weg quer durch den Beutel zu gefrieren. Das sieht ähnlich toll aus wie die Eineisungsszene im Film „The Day After Tomorrow“, ist aber chemisch gesehen irgendwie das Gegenteil: Das ganze Ding wird nämlich warm, bis zu 55 Grad. Und das bleibt es auch für eine ganze Stunde.
KIRSTEN RIESSELMANN
Schatten
„Fliegenpapier“ von Hans Hillmann nach Dashiell Hammett. Dtv, 24,50 Euro
Damals, vor zwanzig Jahren, als ich das dunkle Bilderbuch „Fliegenpapier“ mit den großartigen Zeichnungen von Hans Hillmann geschenkt bekam, begeisterte mich vor allem die visuelle Nähe zu den alten Kinofilmen der Schwarzen Serie. Die Lust an der Spannung mischte sich mit der Bewunderung für einen Illustrator, der die Bewegung der Kamera und den Rhythmus des Schnitts so kongenial in ein Buchformat übersetzt hatte. Jetzt ist eine Wiederauflage der Bildergeschichte nach Dashiell Hammett bei dtv erschienen.
Hans Hillmann, der dieses Jahr achtzig geworden ist, hat jahrzehntelang an der Kunsthochschule Kassel als Professor für Grafik gelehrt und Filmplakate entworfen. An der Geschichte des Detektivs, der eine reiche New Yorker Erbin in einem Milieu aus Verbrechern und Verlierern aufzustöbern sucht, arbeitete er mehrere Jahre. Jedes Blatt und jede Doppelseite haben ihre eigene Erzählgeschwindigkeit. Die Perspektiven ahmen Kameraeinstellungen nicht einfach nach, sondern verkürzen und steigern noch deren Effekte. Dreimal sehen wir Hymie, den Mäher, der für sich und seine MP auf Aufträge wartet: einmal entspannt im Bett seines Hotels, einmal mit Hut und Knarre und dann schon mit einem Loch im Kopf. Der Lakonie, mit der Hammett die kurzen Karrieren der Depressionszeit in wenigen Sätzen zusammenpackte, begegnet die Ökonomie der zeichnerischen Mittel sehr genau.
Die Stärke des Buches liegt gerade auch im Wechsel zwischen den vollen Bildern, wimmelnd von Figuren in den Straßen einer Stadt, und den fast leeren Bildern, die vielleicht nur die Paneele einer Wandtäfelung zeigen. Die vom Grafiker geschaffene Welt hat der Inszenierung des Films voraus, die realistische Detailfülle und das Loseisen des Blicks mit den gleichen Mitteln erschaffen zu können.
KATRIN BETTINA MÜLLER
2ÜF 2P DZ
Landpartie ins Erzgebirge. Über eBay
Nur die Ruhe. Auch in der Heiligen Nacht selbst gibt es noch eine Chance auf den Erwerb eines Geschenks. Bei eBay endet am 24. Dezember um 18.51 Uhr und 16 Sekunden zum Beispiel eine Auktion, bei der man sogar noch ein Schnäppchen erklicken kann. Eine zweitägige Landpartie ins verschneite Erzgebirge. Vom 26. bis 28. Dezember offeriert das 4-Sterne-Traditionshotel Wilder Mann in Annaberg-Buchholz ein Paket unter dem Titel „2ÜF 2P DZ“. Das Mindestgebot liegt bei schlappen 58 Euro, das ist ein Viertel weniger als der reguläre Preis. Die Gewinner könnten also mit der fetten Festtagsente im Bauch in die Berge düsen und direkt am Marktplatz der Bergstadt in einem alten Bürgerhaus absteigen. Und zu Silvester ist man rechtzeitig wieder zu Hause.
Falls Mehrbietende die Betten vor der Nase wegschnappen sollten, bleibt immer noch Zeit für die Variante meines Großvaters. Kurz vor der Bescherung setzte er sich in sein Atelier und malte Gutscheine. Entzückt von den lustigen Grafiken sinnierte die Familie dann unterm Weihnachtsbaum immer den ganzen Abend, ob er sie jemals einlösen würde. Bei eBay kann man sich da mittlerweile sicher sein. Den Verkäufer, das Hotel selbst, hat die Kundschaft bisher zu hundert Prozent positiv bewertet.
FRIEDERIKE MEYER
Kultbuch
Theodore Roszak: „Schattenlichter“. Heyne Verlag, 14 Euro
Vor zwei Jahren durfte man für Theodore Roszaks „Flicker“ im modernen Antiquariat von Amazon 380 Dollar für das Hardcover und immer noch stolze 250 Dollar für das Paperback hinblättern. Ein klares Zeichen, dass es sich bei dem 1991 erschienenen Roman des amerikanischen Kulturwissenschaftlers um ein Kultbuch handelte. Der kleine Kreis der Leser schien eine Neuauflage nicht rentabel zu machen, aber die Gemeinde war bereit, für die verbliebenen Exemplare fast jeden Preis zu bezahlen. Tempi passati. Jetzt gibt die großartige, hybride Mixtur aus Filmgeschichte, Education sentimentale und Verschwörungstheorie nicht nur als englisches, sondern auch als deutsches Taschenbuch für schlichte 14 Euro. Ein Schmöker für die Festtage, der von Jonathan Gates Obsession für den legendären deutschen Stummfilmregisseur Max Castle handelt, der Mitte der 20er-Jahre nach Hollywood ging, um dort einige obskure Vampirfilme und B-Movies zu drehen, die Gates – der mit der Recherche über Max Castle vom jugendlichen Filmbuff zum Professor für Filmgeschichte an der UCLA reift – mehr und mehr als reine Emanationen des Bösen betrachtet. Der Autor Theordore Roszak sorgte vor 25 Jahren übrigens schon mit seinem akademischen Wälzer „The Making of a Counter Culture: Reflections on the Technocratic Society and Its Youthful Opposition“ für Furore.
BRIGITTE WERNEBURG
Obst und Gemüse
Ganz pragmatisch: Wer jetzt noch kein Geschenk hat, sollte sich möglichst auf Gaben beschränken, die guten Gewissens in Gutscheinform zu verschenken sind – für alles andere ist es zu spät. Man muss ja auch noch losziehen und die Zutaten für die diversen Festtagsessen besorgen, wie soll man sich da noch auf Geschenke konzentrieren können?
Wen es im Zuge dieser Besorgungen in einen Bioladen verschlagen haben sollte, den dürfte ein Gutschein für die „Märkische Kiste“ genauso freuen wie denjenigen, der diese Lokalitäten seit Jahren nicht mehr aufsucht, weil er die Atmosphäre von freudlosem Gesundheitsterror und graumäusiger Übellaunigkeit nicht ertragen kann. Eine wöchentliche Lieferung mit frischem Obst und Gemüse, angebaut im näheren Umland, enthebt einen von dieser Pflicht – den gleichen Service gibt es in anderen Städten übrigens auch, da heißt er bloß anders. Endlich bekommt man die Lebensmittel direkt in die Wohnung und kann es sich sparen, dem Schrecken in die Augen zu blicken, der in deutschen Bioläden immer noch als Verkaufsargument zu gelten scheint. TOBIAS RAPP
Digitale Kratzer
iPod mit der eigenen Plattensammlung
Ich brauche offenbar beides: sofortige Verfügbarkeit und sperrige Realpräsenz, beliebige Wiederholbarkeit und die Patina von Gebrauchsspuren. So kann ich derzeit den Effekt konstatieren, dass, seitdem ein iPod in mein Leben trat (und von Grund auf änderte), ich auch wieder große Lust habe, meine alten Vinyl-Platten hervorzuholen. Das MP3-Format degradiert die CDs zu einer Art Zwischenlager, macht das Analoge aber um so kostbarer – in jedem Kratzer scheinen Erinnerungen an die Situationen aufbewahrt, in denen ich die jeweilige Musik schon einmal hörte. Als ob gerade die schöne Handhabbarkeit des iPods zur Wiederverzauberung der unbrennbaren Platten führen würde.
Was toll wäre: Wenn sich beides kombinieren ließe – und ich meine LPs auch irgendwie in den iPod reinkriegen würde. Wie das gehen soll? Keine Ahnung. Aber der erste Schritt zu einem wirklich bewegenden Geschenk ist das Aufspüren eines großen Wunsches. Vielleicht finden Sie ja einen Weg. Ganz sicher: Das wäre dann der absolute Hammer! DIRK KNIPPHALS