piwik no script img

Archiv-Artikel

SIGMAR GABRIEL VERGIBT CHANCE ZUR VORREITERROLLE BEIM KLIMASCHUTZ Gerade noch genehmigungsfähig

In Europa gibt es bislang genau ein funktionierendes Instrument für Klimaschutz: den Handel mit Kohlendioxid-Aktien. Diese „Zertifikate“ berechtigen dazu, die Atmosphäre als CO2-Müllhalde zu benutzen – was die Erde weiter aufheizt. Um diesen Trend wenigstens zu verlangsamen, werden von Handelsperiode zu Handelsperiode immer weniger Zertifikate ausgegeben. So werden Klimakiller teurer, Klimaschutz zum Wirtschaftsfaktor.

Dumm nur, wenn der Reduktionsplan viel zu lasch ausfällt. Für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 hatte der grüne Umweltminister Jürgen Trittin Rechte über 20 Millionen Tonnen mehr ausgeteilt, als tatsächlich benötigt wurden. Sein roter Nachfolger plante nicht viel besser: Die EU hatte Sigmar Gabriel signalisiert, dass sie seinen Plan für die zweite Handelsperiode bis 2012 nicht genehmigen würde. Gestern legte er nun einen um 26,5 Millionen Tonnen reduzierten Antrag vor.

Ist das die deutsche Vorreiterrolle beim Klimaschutz in der G 8, die Gabriel vor Wochenfrist auf dem Klimagipfel in Nairobi angekündigt hatte? Eine Rolle als Vorreiter in der EU? Leider nein. Erstens entspricht die jetzt neu eingereichte Menge gerade mal dem, was die Kommission für gerade noch genehmigungsfähig hält. Fünf Millionen Tonnen weniger hätten die Beobachter überrascht. Zehn Millionen weniger wären als spektakulär angesehen worden. Zweitens – und das ist viel wesentlicher – hat der Bundesumweltminister es versäumt, die Überarbeitung seines Planes für die Versteigerung der CO2-Aktien zu nutzen. Rechtlich nämlich darf Gabriel zehn Prozent meistbietend unters Industrievolk bringen. Das wäre tatsächlich ein Signal: Die Verpestung der Atmosphäre hat ihren Preis – und seien es nur zehn Prozent.

Vom Signal einmal abgesehen: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat gerade die Wirkung einer Versteigerung der CO2-Aktien untersucht. Diese würde eine fundamentale Verbesserung des Emissionshandels erreichen, mehr Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit bewirken. Aber Gabriel denkt nicht an Versteigerung. Vorreiter denken anders. NICK REIMER