SERBIENS REGIERUNG NUTZT DEN NOTSTAND ZUR ABRECHNUNG MIT GEGNERN : Findet Djindjić’ Mörder!
Die serbische Regierung demonstriert ihre Entschlossenheit, mit dem organisierten Verbrechen abzurechnen. In den vergangenen Tagen wurden massenhaft Kriminelle verhaftet, haufenweise Waffen beschlagnahmt, dutzende von Richtern aus dem Amt entlassen. Ein Vizestaatsanwalt wurde gar verhaftet – wegen Verbindungen zur Mafia. Als unmittelbares Resultat gibt es in Belgrad seit Tagen keine Diebstähle mehr. So weit: Bravo!
Nur: Die ursprüngliche Einschätzung der Behörden, die Mafia allein hätte Premier Zoran Djindjić umgebracht, ist unglaubwürdig. Kriminelle hätten sich mit der Liquidierung des Innenministers begnügen können. Djindjić’ Nachfolger Zoran Zivković hat das eingesehen. Jetzt heißt es, der Anschlag auf den Regierungschef habe einen „Putsch“ einleiten und die alte, kriminalisierte Nomenklatura der Milošević-Zeit wieder an die Macht bringen sollen. Für einen Putschversuch gibt es aber nicht die geringsten Anzeichen. So wird immer klarer, dass die serbische Regierung nicht weiß, wer die Auftraggeber des Attentats sind. Sie könnten aus der Unterwelt, der Armee, der Polizei oder den verschiedenen militärischen und Staatssicherheitsdiensten kommen; auch ehemalige Soldaten, Mitglieder der diversen Spezialeinheiten, Mitarbeiter der korrumpierten Justiz oder Mitglieder der nationalistischen Parteien könnten die Täter sein.
Der Kreis von Leuten, die Nutzen aus Djindjić’ Tod ziehen könnten, ist groß. Ganz offensichtlich nutzt die serbische Regierung das durch das Attentat entstandene Tohuwabohu aus, um unter dem Deckmantel des Ausnahmezustandes etwa politisch unerwünschte Medien zu schließen. Anderen Medien, die von den Behörden nicht genehmigte Informationen über den Fall publiziert haben, drohen hohe Geldstrafen. Und den nationalistischen Parteien das Verbot – was der Regierungskoalition angeblich nur ganz nebenbei eine Mehrheit im serbischen Parlament sichern würde. Djindjić’ Nachfolger sollten bald aufhören, demokratische Grundregeln im Namen der Demokratie zu missachten, und sich stattdessen auf die Jagd nach den Mördern des Premiers beschränken. ANDREJ IVANJI