SCHWÜLE UND DESASTER : Alles geht kaputt
Nichts gegen Hitze, man soll nicht gegen die Hitze polemisieren, wenn man sechs Monate im Jahr über den Berliner Winter klagt. Aber die Feuchtigkeit! Früher war es hier so schön trocken, vielleicht der einzige nachvollziehbare Grund, Jahrzehnte in der größten Provinzstadt Deutschlands auszuharren.
Man ist also schon völlig kirre von der Schwüle, und dann geht auch noch alles kaputt. Morgens sagt mein Handy, dass was mit der SIM-Karte nicht stimmt. Das kann nicht an der Karte liegen. Es liegt am Handy, das schon so alt ist, dass mich alle fragen, ob ich mir ein Vintage-Modell besorgt habe. Hab ich aber nicht. Das Ding befindet sich seit mehr als zehn Jahren in meiner Gesäßtasche. Die Taste mit M, N und O spinnt schon lange, was schlecht beim Simsen ist. Also auf zu Saturn, noch schnell vor dem Büro. Ich greife mir so schwungvoll, wie das bei der Schwüle drin ist, mein Fahrrad – und habe den Sattel in der Hand. Beim Nachhausefahren nachts zuvor hatte ich schon so ein komisches Knacken gehört. Ich plündere das Ersatzfahrrad im Keller. Man darf sich nicht mürbe machen lassen. Ich will kein Smartphone haben. Aber die einfachen Nokias haben eine Auswahltaste, die so klein ist, dass ich sie nicht bedienen kann. Die neuen Androidengenerationen scheinen mit hypersensiblen Daumen bestückt zu werden. Da fällt mein Blick auf ein Telefon mit großen Tasten. Das Menü ist dem alten Nokia-Menü nachempfunden. Die Auswahltaste kennt nur die Richtungen oben und unten. Die Verkäuferin sagt: „Na ja, ich möchte mal sagen, das ist schon eher ein Seniorenhandy.“ Soll mir recht sein, ich bin ja auch schon alt. Zwei Tage später werfe ich mein altes Handy an, weil ich an das Adressbuch ranmuss. Es geht wieder! Wie schön, dann kann ich das noch weitere zehn Jahre benutzen. Meine Hipness wird ins Unermessliche steigen. Und schon regt sich auch ein kühler Wind. ULRICH GUTMAIR