SCHWERE MELANCHOLIKER : Nur geduldet
Neben dem Crystal stelle ich das Fahrrad neben drei anderen ab. T. hat eine SMS geschickt: bin drin. „We are mostly slow and difficult“, sagt der Sänger, seitlich geneigt, ins Mikrofon. Er würde alle seine Lieder für seine Frau schreiben und nun sei sie nicht hier, das sei traurig. Sein Bühnenkumpel trägt Bommelmütze, was bei dieser Ansage nur verständlich erscheint. Ich sehe T. an. Das sind schwere Melancholiker, sagt er.
Da stehen wir nun in einem Halbkreis um die beiden Musiker mit vielleicht hundert anderen Männern, auf die demnächst eine folgenschwere Midlife-Crises zurollen wird. Drei Frauen rechts der Bühne, die keine ist, zwei Frauen weiter hinten holen Bier. Die Musik ist schön und sehnsüchtig.
Nach dem Konzert, das gerade mal eine Stunde dauerte, gehen wir weiter zum Mehringdamm. Vor dem Clash werden wir von drei Security-Männern gefragt, ob wir Flaschen dabeihätten. Der Laden ist rappelvoll, wir heben den Altersdurchschnitt. In meinem Sakko stehe ich am Tresen zwischen politisch Hochmotivierten, die mich ansehen, als wäre ich der Arsch vom Dienst, obgleich ich hier nur der Paradiesvogel bin, der die linke Ordnung mit einem Kleidungsstück ein wenig durcheinanderzubringen scheint. In einem Pulk von Tätowierten, die einen runden Geburtstag feiern, werden wir an einem für sie reservierten Tisch geduldet. Geduldet, wie sie zweimal sagen.
Die Musik ist brutal laut und brutal gut. Wir versuchen miteinander zu reden, wir brüllen uns eigentlich nur immer etwas zu. Während die hereinkommenden Gäste immer jünger werden, werden wir immer älter. Vor uns auf dem Boden sitzen drei Punks um eine schöne Frau, die in ihr Smartphone spricht. Als sie den Apparat ausstellt und ihn zwischen ihre Brüste steckt, wissen die drei nicht mehr weiter und greifen synchron nach ihren Flaschen und trinken. BJÖRN KUHLIGK