SCHULVERGLEICH: Bremen hütet die Pisa-Laterne
Auch acht Jahre nach dem ersten Pisa-Schock hat sich wenig geändert: Bayern liegt vorne, Bremen hinten im Schüler-Leistungsvergleich. Aber nicht mehr so weit.
Bremens Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) war von den neuen Pisa-Ergebnissen "gar nicht überrascht", so erklärte sie gestern. Bremen ist wieder in fast allen Bereichen des 2009 durchgeführten Testes in den neunten Klassen Schlusslicht im Ländervergleich. Hör- und Leseverstehen in deutsch und Englisch waren getestet worden. "Wir arbeiten an den richtigen Stellen", meinte die Senatorin, allerdings dauere der Aufhol-Prozess deutlich länger als ihr Amtsvorgänger Willi Lemke erhofft hatte. "Unsere Aufholjagd hat sich gelohnt", hatte sie noch 2008 erklärt - gestern war sie deutlich vorsichtiger: Auch beim nächsten Durchlauf im Jahre 2011 werde es kein wesentlich anderes Ergebnis geben - schlicht weil dann die Schüler in die Tests kommen, bei denen Maßnahmen, die in den Jahren nach dem Pisa-Schock 2002 ergriffen wurden, nicht "greifen" konnten.
Vor allem setzte die Senatorin auf ihre Schulreform und die einheitliche Oberschule: "Das Bremer Schulsystem hat die Schülerinnen und Schüler sehr stark sortiert. In Lerngruppen, in denen sich leistungsschwache Schülerinnen und Schüler ballen, entsteht ein anregungsarmes Milieu, und es kann kein positives Lernklima entstehen."
Dieses Fazit ergibt sich nicht zwingend aus den Pisa-Daten. So gelingt Bayern mit seinem gegliederten Schulsystem offensichtlich ein stärker lernanregendes Klima. Nimmt man die 25 Prozent "besten" SchülerInnen, so liegt Bremen in diesem Kompetenz-Bereich mit 543 Punkten ganz deutlich hinter dem bayerischen Ergebnis (582 Punkte) und leicht hinter Hamburg.
Mehr als zehn Prozent der Bremer Schüler liegen bei der "Kompetenz Zuhören" im Deutschen unterhalb des Punktebereichs, bei dem die bayerische Statistik überhaupt erst beginnt. Die schlechten Ergebnisse im unteren Bereich des Leistungsspektrums erklärt Jürgens-Pieper mit den sozialen Problemen Bremens. Nirgends sonst sei das Armutsrisiko so hoch, nirgends die Zahl der Erwerbslosen so hoch und nirgends das Bildungsniveau der Eltern der Schüler so niedrig. Bei allen seit Jahren eingeleiteten Reform- und Fördermaßnahmen, so Jürgens-Pieper, sei klar: "Die Schule kann den Vorsprung, den ein Kind aus bildungsnahem Elternhaus mitbringt, nicht nivellieren."
Fazit: Auch die Gymnasien müssen weiter an ihrem "lernanregenden Klima" arbeiten, den Leistungsabstand im Hinblick auf die Ergebnisse anderer Länder könne man "nicht akzeptieren".
Und die seit 2002 entwickelten Fördermaßnahmen müssten systematisiert werden. Wer mit dem Hinweis auf sinkende Schülerzahlen da sparen wollte, "der liegt völlig daneben", meinte Jürgens-Pieper. Zumal künftige Schülergenerationen einen noch höheren Anteil von Kindern aus eher bildungsfernen Migranten-Familien hätten. Die Pisa-Studie hat deutliche Unterschiede zwischen bildungsstarken Zuwanderern, die etwa aus Polen oder der Sowjetunion kommen, und der Mehrzahl der türkischstämmigen Migranten festgestellt. Migrationshintergrund allein sei nicht das Problem, erklärte Jürgens-Pieper.
An die Lehrer hat die Senatorin einen Brief geschrieben mit der Bitte "auf keinen Fall die Flinte ins Korn zu werfen".
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