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SCHRÄGES BERLINNichts für die Ewigkeit

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Seit einigen Tagen hängt ein meiner Straße ein Schild: „Ab hier Leben verboten“. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Aktion der Gentrifizierungsgegner.

Ein Hotspot der Gentrifizierungsdebatte: das Kottbusser Tor in Kreuzberg. Bild: dapd

D as Holozän ist am Ende. Die Natur ist vorbei. Es lebe das Anthropozän. Bereits vor einigen Jahren haben Geologen ein neues Zeitalter der Erdgeschichte ausgerufen: Im Sedimentgestein der Erdkruste hätten die Menschen ihre Fingernägel und Fußabdrücke mittlerweile so tief eingegraben, dass ihre Spuren noch für Außerirdische, die in fünf Millionen Jahren den Planeten Erde erforschen, eindeutig erkennbar sein würden.

Seit vergangenem Wochenende ist auch Berlin im Anthropozän angekommen. In einer Mischung aus Suppenküche, Klimakonferenz und interdisziplinärer Begegnung diskutierten im Haus der Kulturen der Welt (HKW) jede Menge Kultur- und Naturwissenschaftler und andere Metabolisten über die Konsequenzen aus diesem geologischen Befund: Wie müssen wir denken? Und was müssen wir tun, wenn es tatsächlich so ist, dass der Mensch jetzt alles in der Hand hat, wie der angekündigte, aber nicht gekommene Urbanist Rem Koolhaas proklamiert?

Tendenziell löst diese Geo-These unter Wissenschaftlern Besorgnis aus: Denn ausgerechnet in jener Erdepoche, die nach dem Menschen benannt ist, würden nicht nur die Natur, sondern auch die sozialen Beziehungen durch zunehmende Technisierung und Medialisierung des Lebens zur Brache verkommen.

Doris Akrap

schreibt regelmäßig in der Berlin-Ausgabe der taz über ihren Kreuzberger Kiez und ist Redakteurin bei taz.de.

Dass die sozialen Beziehungen, sprich: das gute Leben in Berlin demnächst so brachliegen könnte wie die Grundstücke in der Cuvry- Ecke Schlesische Straße oder der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg, wird bekanntlich abseits wissenschaftlicher Debatten durch die Gentrifizierungsgegner prognostiziert. Nehmen wir zur Abwechslung mal wieder meinen Kreuzberger Trendkiez und meine Straße als Beispiel. Es ist eine Straße, in der mindestens einmal im Monat eine ganze Reihe Autos abgeschleppt und Nachtruhe und Flaniermöglichkeiten durch Scheinwerfer, Megafon, Kabel und Absperrgitter erheblich eingeschränkt werden. Einmal im Monat findet sich irgendein Filmteam, das irgendeine Berlin-Soap dreht und über Nacht zwei unauffällige Schilder am Anfang und Ende der Straße platziert, auf denen steht: „Ab hier Parken verboten“.

Seit einigen Tagen hängt an ebendieser Stelle ein anderes Schild: „Ab hier Leben verboten“.

Sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Aktion der Gentrifizierungsgegner, die von einem Lebensbegriff ausgeht, den die Wissenschaftler im HKW der Philosophie „kosmischer Flutungen“ eines Oswald Spengler („Der Untergang des Abendlandes“) zuweisen könnten. Und sehr wahrscheinlich bezieht sie sich auf ebendiese Filmteams, die den Gentrifizierungsgegnern ein Dorn im Auge sind, weil sie unseren schönen Kiez zur Filmkulisse verkommen lassen und die Bewohner in eine Statistenrolle drängen, wo diese doch lieber die Hauptdarsteller wären.

Ich kann nicht anders, aber solange das Setting dieser Möchtegernhauptdarsteller lediglich in am Straßenrand angebautem Blumenkohl und auf brachliegenden Fabrikgeländen aufgestellten Bienenstöcken besteht, bin ich zwar gern in ihren Gärten; ich zweifle aber trotzdem an ihrem Konzept des Bürgersteiggärtnerns als Widerstand – und bleibe weiter Statist der Gentrifizierung. Denn ich finde es gut, dass die Außerirdischen in fünf Millionen Jahren die von der Nasa ins All geschickte „Voyager Golden Record“ finden, auf der sie Muddy Waters und Johann Sebastian Bach entdecken. Und nicht Rezepte für autark produzierten Blumenkohl vom Kottbusser Tor.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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10 Kommentare

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  • L
    leone

    sinnlos, det gequatsche, proll-schikkeria eben

  • A
    Alex

    Wieso sollten nur Gentrifizierungsgegner so ein Schild aufhängen. Augenscheinlich könnten es ja auch Autobesitzer sein, oder vielleicht auch nur jemand der schlafen will oder - ach was - ein Witzbold, der gerne Sprachspiele liegt? Den gemeinten Blumenkohl gibt es - meiner Meinung nach - am Moritzplatz und auch sonst ist der Artikel recht wirr. Wichtige Fragen bleiben offen: ist das z.B. gute Leben in Berlin? Was haben Rem Koolhaas, Oswald Spengler und "Metabolisten"? Wie schade, dass diese Informationen sich weder in Raum noch in der Zeit begegnen. Hugh!

  • P
    Pankower

    Ich schließe mich einigen meiner Vorposter an: Was haben Antropozän mit von Aufwertung bedrohten Bezirken in Berlin und Außerirdischen zu tun.

     

    Ein unglaublich wirrer Artikel, dessen Sinn sich mir überhaupt nicht ergibt. Scheint mir so als wüßte die Autorin nicht wo sie in der Frage der Aufwertung innerstädtischer Quartiere steht, da sie selbst in Kreuzberg sich offensichtlich zu den "Gentrifizierern" zählen muss und zu der Vertreibung beiträgt und sich vielleicht deshalb genötigt fühlt Blumenkohl anzuführen? Oder versprechen in der Berlin-Sparte der Taz Worte mit Signalwirkung wie "Kottbusser Tor" und "Gentrifizierung" einfach mehr Klicks?

     

    Oder die Dame hat gar keine Meinung zu dem Thema, so lange sie es sich in herrlich alternativen Kreuzberg bequem gemacht hat und in der taz anderen unter die Nase reiben kann, dass sie in diesem ach so angesagtem Stadtteil wohnt.

     

    Ein Schild in einer Straße im Kreuzberg sind etwas wenig Material für einen Artikel. Das Nichtvorhandensein von einer wirklichen Nachricht erklärt wohl auch die Unnötigkeit dieses Artikels.

  • X
    xxx

    Warum wird eigentlich nicht mehr darüber geschrieben, was Gentrifzierung eigentlich bedeutet? Sprich: Menschen mit weniger Geld werden von Menschen mit mehr Geld aus ihrem Lebensumfeld verdrängt.Ganz einfach.

     

    Über Blumenkohl möchte ich an dieser Stelle nichts lesen. Obwohl die Autorin im Revolverblatt TAZ mir ihrem Beitrag doch ganz gut aufgehoben zu sein scheint.

  • X
    xonra

    Beim lesen Eurer Printausgabe fallen mir immer wieder die Anzeigen auf, die Wohnraum als Ferienwohnungen anpreisen. Die sonst um politische Korrektheit bemühte TAZ lässt schamlos Kleinanzeigen zu, die z.B. eine zwei Zimmer Wohnung für 50 Euro pro Tag anpreist.

  • H
    Haha

    Sicher, daß es Blumenkohl war was die Autorin da am Kotti bekam? Der Text klingt irgendwie nach anderen Pflanzen. Am Kotti kann man von mir aus gentrifizieren bis es in der (Hasen)heide kracht. Es war mal ganz nett da, bevor man es zubetonierte un die Einheimischen vertrieb. Jetzt kann es mal wieder was Nettes werden. Das Wehklagen der Vertreiber von damals ist mir egal. Das der Seit-3-Semestern-Urkreuzberger erst recht.

  • G
    GreenDaumen

    Lange dürften Ihre Nachbarn ihr selbst gezüchtetes Straßengemüse nicht überleben bei den Schadstoffwerten...

  • P
    Pons

    Was auch immer das anthropozän und die kreuzberger filmkulisse miteinander zu tun haben, beides themen, denen sich angenommen werden muss. Aber die dann dich eher trivialen eindrücke dazu im tagebuchcharackter, reihen sich gut in die selbstbeklagte belanglosigkeit des urban angebauten kotti-gemüses ein.

  • M
    miko

    die hallbwertszeit eines muddy waters oder bach's mit der von soap-operas gleichzusetzen... hossa!

    da weiß ich ja was ich von Ihrem kulturverständnis halten kann...

  • JS
    Juri Schiwago

    Frau Akrap, offensichtlich begreifen Sie mit ihrem mittelschichtsgeprägtem Geist nicht, dass es bei der Gentrifizierungsdebatte um mehr, als um "Blumenkohlbeete" am Straßenrand geht. Renditeorientierte Global Player,die ganze Stadtgebiete unter ausschließlich profitorientierten Aspekten sozial "Säubern"; klingelt da was bei Ihnen?Oder gehören Sie zu denen, die sich die Miete im Szenekiez leisten können, egal wie hoch sie steigen wird, und sich über das "asoziale" Pack ärgern, die das Wohnumfeld belasten? Ein wenig differenzierter bitte.