SCHLAGERPOP MIT WANDA : Wer raucht, sieht kaltblütig aus
Die dreitägigen Wanda-Festspiele sind eröffnet“, verkündet Marco Michael Wanda und steckt sich die erste Zigarette des Abends an. „Hat der Karl Kraus einmal Berlin ausverkauft? Ich glaube nicht.“ Der Vergleich mit dem österreichischen Kritikerpapst erschließt sich nicht ganz, wobei Kraus es naturgemäß ebenso verstand, von sich reden zu machen, wie dieser Tage Wanda aus Wien.
Seit es Wanda gibt, dürfen auch Menschen ohne Diddl-Maus-Sammlung Lieder hören, in denen das Wort amore vorkommt. Schlagerpop könnte man es nennen, aber irgendwie dreckig, wild, anders. Im Badehaus Szimpla spielen die Österreicher am Donnerstag das erste von ihren drei ausverkauften Klubkonzerten in Berlin.
Der Versuch, sich dem Phänomen Wanda durch eine Analyse des Konzertpublikums in Berlin anzunähern, stellt sich indes als schwierig heraus. Zu heterogen ist das Bild: Die hornbebrillte Kunststudentin ist genauso zu finden wie der Kapuzenpulliträger in den Dreißigern oder der Endvierziger mit in die Hose gestecktem Hemd.
Vielleicht muss man also auf die Zigarette in der Hand des Sängers zurückkommen. Die glimmt meist stoisch, während er hüfteschwingend und mit offenem Jeanshemd ins Mikro röhrt. Ab und zu, in den Pathosmomenten, reckt er sie empor, deutet ein Victoryzeichen an. Wie eine Marlboro-Reklame sieht das aus, als rauchen noch für Kaltblütigkeit stand. Und das erzählt uns Wanda auch: Es gibt die Liebe, den Tod und dazwischen sehr viel Alkohol. Die Kühnen im Publikum machen die Zigarettengeste trotz plakatiertem Rauchverbot nach, so wie hier vieles nachgemacht wird.
„A-A-A-A-MO-MO-MO-MO-RE-RE-RE-RE“, erschallt es, das Mantra des Abends entfaltet seine Wirkung. Die Kunststudentin, der Kapuzenpulliträger, der Endvierziger – sie alle singen mit und betteln am Ende verzückt eine gewisse Luzia an, ihnen „weh“zutun. Die dreitägigen Wanda-Festspiele, sie sind in Berlin eröffnet. Man wüsste zu gern, was Karl Kraus dazu gesagt hätte. LUISE CHECCHIN