SCHILYS SICHERHEITSPAKET VERUNSICHERT – DEN STAAT UND DIE BÜRGER: Paranoide haben immer Recht
Es schlägt die Stunde der Verschwörungstheoretiker. Der Staat formuliert mit seinem Sicherheitspaket II einen Generalverdacht. Das Wesen des Verdachts ist, dass er sich selbst bestätigt. Paranoia funktioniert als Zirkelschluss: Wer Gefahr beschwört, findet sie bestätigt. Die Rettung erfolgt dann immer in letzter Minute. Genau das ist der Mechanismus des Sicherheitspakets: Die Möglichkeiten des Überwachungsapparats werden erweitert, um Hinweise dafür zu sammeln, dass sich künftige Terroristen und Terroristenunterstützer unter uns befinden. Gerade rechtzeitig werden sie dann an ihrem Vorhaben gehindert werden.
Ein Großteil der Maßnahmen hat natürlich mit Terrorbekämpfung nichts zu tun, sondern damit, Ausländern den Aufenthalt hier zu erschweren. Das Innenministerium hat lange vorbereitete Wunschlisten aus den Schubladen geholt, weil die Gelegenheit günstig war: Super! Unbeschränkte Weitergabe aller ausländerbezogenen Daten! Her damit! Dass sich ein Schläfer eben kraft seiner Unauffälligkeit allen Kriterien der Überwachung entziehen wird, ist ebenfalls eine Tautologie.
Der Staat braucht die Vorstellung von der menschlichen Zeitbombe, um seinen Verdacht zu konstruieren, den er über die ganze Bevölkerung ausbreitet. Und den Kritikern bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Verdacht zu antworten, dass der Staat seine Informationen missbrauchen wird. Ebenso wenig, wie die Geheimdienste wissen, wonach sie eigentlich suchen, wissen wir, was da auf uns zukommt. Denn wir wissen ja auch gar nicht, was schon gemacht wird. Die Bürgerrechtler, die den Otto-Katalog auswerteten, erschraken zuallererst darüber, was im geltenden Gesetz schon drinsteht: Die Geheimdienste dürfen längst vieles von dem, was jetzt als „Grenzverwischung zwischen Polizei und Geheimdienst“ angeprangert wird.
Wie weit sich die Bundesrepublik dem Horrorbild des Überwachungsstaats durch das Sicherheitspaket II annähert, wird sich bestenfalls in Rückschau belegen lassen. Sicher ist bloß, dass mehr Misstrauen zwischen Staat und Bürgern herrschen wird. ULRIKE WINKELMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen