SACHSEN: PDS-SPITZENKANDIDAT VERLIERT VERDÄCHTIG SCHNELL PROFESSUR : Eile macht stutzig
Das ist der Stoff, der für eine Märtyrerlegende taugt: In Sachsen wird am 19. September gewählt. Doch kaum startet der Wahlkampf, werden Stasivorwürfe gegen den PDS-Spitzenkandidaten Peter Porsch laut. Zudem wird Porsch auch sogleich in einem Schnellverfahren als Hochschulprofessor entlassen. Will die CDU-Landesregierung so die zweitstärkste Partei Sachsens, die wegen der Hartz-Proteste Aufwind verspürt, gezielt behindern?
Natürlich ist es legitim, wenn sich das Magazin Focus im Wahlkampf für Porschs Vergangenheit interessiert. Und es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Birthler-Behörde daraufhin Auskunft gibt, dass der Kandidat als „IM Christoph“ geführt wurde und den Akten zufolge Informationen über eine Lesung DDR-kritischer Schriftsteller lieferte. Porsch sagt heute, er habe nicht bewusst mit der Stasi kooperiert, sondern nur einem vermeintlichen Kriminalpolizisten Auskunft gegeben. Wähler, die gerne Politiker mit weißer Weste wählen, können und müssen sich jetzt damit beschäftigen, ob dem zu glauben ist – und ob die von Porsch reklamierten Feinheiten einen Unterschied machen.
Eine neue Dimension bekam die Diskussion nun aber durch die sofortige Entlassung des Professors mitten im Wahlkampf. Sie erweckt den Eindruck, dass hier die Diskussion über Porschs Verhalten gezielt beendet werden sollte – mit einem offiziellen Unwert-Urteil. Dabei ist nicht einmal gesagt, ob das Manöver der PDS ernsthaft schadet oder ob es nicht eher ein osttrotziges „Jetzt erst recht!“-Gefühl auslöst. Außerdem: Eine Entlassung Porschs direkt nach einem PDS-Wahlerfolg wäre kaum weniger heikel gewesen.
Entscheidend für die Bewertung des Vorgangs ist, ob das Entlassungsverfahren seinen normalen Gang nahm oder ob hier – mit Blick auf die Wahl – gezielt das Tempo manipuliert wurde. Für Letzteres spricht, dass eine Anhörung von Porsch unterblieb, nachdem die zuständige Uni-Kommission den Termin nicht so legen wollte, dass auch Porschs Anwalt teilnehmen konnte. So viel Eile macht stutzig. Schließlich ist Porsch kein vermeintlicher Sexualverbrecher, vor dem man die StudentInnen besser zu früh als zu spät schützen muss. CHRISTIAN RATH