: S T A T T K O M M E N T A R Stumpfe Gereiztheit
■ Frankfurt und Berlin pflegen die Kultur des Vergessens
Was verbindet das Frankfurter Projekt eines Kundenzentrums mit dem Berliner Projekt eines Kulturforums? An beiden Orten geht es um die Spuren der jüdischen und der nationalsozialistischen Vergangenheit. In Frankfurt sind die Reste des jüdischen Gettos freigelegt worden. In Berlin hat eine Ausstellung freigelegt, daß es von der Villa Tiergartenstraße 4 keine Reste mehr gibt, von diesem Amt, das die „Euthanasie“ organisierte. In beiden Fällen reagieren Behörden rücksichtslos oder stumpf gereizt, wenn sie nun dem Gedenken und der Erinnerung Platz einzuräumen sollen. Sollte nicht die Stadt Frankfurt eher froh sein, daß es noch Mauern des Judengettos gibt? Sollten Berliner Behörden nicht ganz selbstverständlich einen Gedenktafeltext unterstützen, auch wenn er nicht den bürokratischen Gang durchlaufen hat? Einen Text, der lautet: TIERGARTENSTRASSE 4 EHRE DEN VERGESSENEN OPFERN ERINNERUNG AN DIE POLITIK DES TÖTENS An dieser Stelle, Tiergartenstraße 4, wurde ab 1940 der erste nationalsozialistische Massenmord organisiert - „Aktion T 4“ genannt. Mehr als 200.000 wehrlose Menschen starben durch Gas, durch Schlafmittel, durch geplanten Hunger. Ihr Leben wurde als lebensunwert bezeichnet, ihre Ermordung hieß Euthanasie. Die Täter waren Wissenschaftler, Ärzte, Pfleger, Beamte und Angestellte der Justiz, der Gesundheits– und Arbeitsverwaltungen. Die Opfer waren arm, verzweifelt, aufsässig oder hilfsbedürftig. Sie kamen aus psychiatrischen Kliniken, Altenheimen und Kinderkrankenhäusern, aus Lazaretten, Lagern und Fürsorgeanstalten. Die Zahl der Opfer ist groß, gering die Zahl der verurteilten Täter.
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