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S-Bahn zweifelt Echtheit eigener Tickets anIm Zweifel gegen den Fahrgast

Klausel im VBB-Tarif erlaubt Kontrolleuren, Tickets zu konfiszieren, die sie für unecht halten. Da liegen sie nicht immer richtig, wie ein Fall zeigt. Jurist hält das Vorgehen für unrechtmäßig.

Überraschung: Die S-Bahn stellt auch an ihren Automaten gekaufte Tickets in Frage Bild: ap

Die Berliner Nahverkehrsbetriebe haben den Ticketfälscherbanden den Kampf angesagt und schulen ihre Kontrolleure, Plagiate aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei schießen sie jedoch manchmal über das Ziel hinaus, wie der Fall von Andreas L. zeigt. Gegen ihn hat die S-Bahn Berlin GmbH wegen Verdachts auf Fälschung Strafantrag gestellt, sein Ticket wurde eingezogen - offenbar zu Unrecht.

Als ein Kontrolleur im Juli die Umwelt-Monatskarte von Andreas L. im Wert von 72 Euro in der Hand hielt, habe er gesagt: "So fühlt sich kein echtes Ticket an", und die Karte konfisziert, erinnert sich L.

Er legte Widerspruch ein, weil er wusste, dass er im Recht ist - und dies beweisen kann. Die Quittung für die Monatskarte hat er nämlich aufgehoben - und der taz vorgezeigt. Der S-Bahn hat er das allerdings noch nicht verraten: Er wolle sehen, ob auch so seine Unschuld erkannt wird. "Schließlich hebt ja normalerweise niemand eine Quittung auf."

Das Unternehmen beharrt derweil weiterhin auf der Forderung von 40 Euro, obwohl die Bundespolizei, die für die Überprüfung von Fälschungen zuständig ist, bislang nicht geklärt hat, ob die Fahrkarte echt ist oder nicht. Trotzdem wurde L. bereits angedroht, der Fall werde einem Inkasso-Unternehmen übergeben, dann würde es noch teurer.

Eine Sprecherin der S-Bahn findet dieses Verfahren korrekt. Näher wollte sie sich zu dem Fall nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Verfahren handele. Immerhin: Die Mahnungen würden vorerst ausgesetzt, so die Sprecherin zur taz.

Unbeantwortet bleibt dagegen L.s Frage an die S-Bahn, woran das Unternehmen festmache, dass der Fahrschein gefälscht sei. Dafür erhielt er einen Auszug des VBB-Tarifs, in dem aufgelistet ist, welche Fahrausweise als ungültig gelten. Darunter auch die Formulierung "[Wenn] eine Fälschung nicht auszuschließen ist". Danach kann also ein Kontrolleur jedes Ticket als ungültig einziehen, das er für eine Fälschung hält - ohne dies beweisen zu müssen. Mit allen unangenehmen Folgen für den Fahrgast.

Dass dies rechtmäßig ist, bezweifelt Markus Stoffels, Jurist an der Universität Osnabrück, der auf das Recht bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) spezialisiert ist. "Es spricht vieles dafür, dass diese Klausel einer AGB-Kontrolle nicht standhalten würde. Denn durch sie wird die Beweislast wohl in unzulässiger Weise auf den Kunden abgewälzt", sagte er der taz. VBB-Sprecherin Elke Krokowski geht trotzdem davon aus, dass die Klausel rechtssicher ist, will dies aber von der Rechtsabteilung prüfen lassen.

Ohnehin ist BVG-Sprecher Klaus Wazlak der Überzeugung, dass die Kontrolleure eine hohe Trefferquote bei der Erkennung von gefälschten Tickets haben. "Das ist ein wesentlicher Teil ihrer Ausbildung." Wazlak zufolge wurden 2009 gefälschte Tickets im Wert von 33.000 Euro sichergestellt.

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7 Kommentare

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  • Neulich in Charlottenburg: S-Bahn Kontrolleure ziehen gültigen Berlinpass ein (unstrittig gültiges Sozialticket liegt vor) wegen Verdacht auf Fälschung, stellen eine Quittung aus, angeblich dauert die Überprüfung 14 Tage.

     

    Auf Angebot als Nachweis den ALG II Bescheid bei der S-Bahn vorzulegen wird nicht weiter eingegangen.

     

    Stattdessen übergibt S-Bahn den Fall an ein Inkassobüro - das fordert jetzt 90 Euro - weil die 40 Euro nicht gezahlt binnen 14 Tagen wurden! Dabei sollte doch erstmal geprüft werden, ob Fälschung vorliegt...

     

    S-Bahn stellt zudem Strafanzeige. Weigert sich den Berlinpass wieder herauszugeben. Ohne Anhörung des Fahrgastes oder sonst eine Gelegenheit die Sache irgendwie klarzustellen.

     

    Fazit: S-Bahn kriminalisiert ehrliche Kunden. Deren Kontrolleure bekommen für sowas wohl ne Prämie...

  • RN
    Rechtsanwalt Nils Ahrens

    Im VBB gibt es über 40 Anbieter mit unterschiedlichen Papiersorten und Aufdrucken: sogar Zugbegleiter sind i.d.R. nicht in der Lage, gute Fälschungen(auf Original-Ticket-Papier) zu erkennen. Es muß aber erkennbar sein, daß es sich um eine Fälschung handelt, wenn ein Betroffener wegen Gebrauch einer unechten Urkunde bestraft werden soll. So hat das Amtsgericht Brandenburg heute einen Fahrgast freigesprochen.

  • T
    Thomas

    Wie lange ist der Vorgang jetzt her?

     

    Wissen die bei der S-Bahn wirklich nicht, wie eine echte Fahrkarte aussieht. Auf meiner sind zahlreiche Angaben drauf, aus denen sich die Verkaufsstelle und das Kaufdatum und Uhrzeit und eine eindeutige Ticketnummer herauslesen lassen.

     

    Somit müsste der zu Unrecht Beschuldigte doch spätestens am nächsten Tag seine Monatskarte wieder zurückerhalten, mindestens zuzüglich seiner Auslagen, die ihm durch den Verlust der Monatskarte entstanden sind plus eine angemessene Entschädigung.

     

    Warum dauert der Vorgang mit einer Karte aus dem Juli bis in den Oktober hinein?

  • J
    Jens

    Natürlich ist so etwas ärgerlich. Aber wenn die Antwort der S-Bahn nicht im Sinne des Kunden ausfällt, kann dieser den Vorgang von der www.schlichtungsstelle-nahverkehr-ost.de, zuständig ua für Berlin und Brandenburg, kostenfrei prüfen lassen. Allerdings sollte die S-Bahn die Echtheit schnell feststellen können.

    Grenzfälle sind eher Tickets wie zB Jahreskarten, die vom Kunden privat laminiert wurden, um sie stabiler zu machen. Dort haben die Verkehrsunternehmen die Tickets sehr oft nicht anerkannt.

  • M
    maik

    Keine Züge auf der Strecke aber Kontrollen durchführen wollen...die Welt in Berlin bei S-Bahn und BVG (schlecht gewartete Busse) steht Kopf !

  • D
    Daniel

    Wenn ich könnte, würde ich selbst so viele Falschtickets wie möglich in Umlauf bringen. Nahverkehr sollte kostenlos sein.

    Preiserhöhungen werden nicht durch Schwarzfahrer verursacht, sondern durch Profitgier. Schwarzfahrer erhöhen lediglich die Auslastung des Systems.

     

    Dass durch diese "Beförderungsbedingungen" jedem Fahrgast kriminelles Handeln unterstellt wird, passt ja zum allgemeinen Trend. So ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Erst kürzlich gab es wieder eine Schlägerei, an der Kontrolleure beteiligt waren, offensichtlich weil ein Fahrgast nicht gewillt war, seine Daten herauszugeben.

     

    Zum Kotzen mit diesem ganzen Überwachungs- und Kontrollwahn.

  • S
    Sebastian

    Etwas Kollateralschaden gibt es immer, finde ich aber nicht schlimm. Für solche Vergehen müssten die Kriminellen wesentlich höhere Strafen bekommen. Schade das die Bürger nichts dagegen machen, schließlich müssen die die Preiserhöhung tragen die durch kriminelle Schwarzfahrer verursacht werden.