S-Bahn bangt um Vertrag: Angst vor Notbremsung
Der Senat könnte den Vertrag mit der S-Bahn vorzeitig kündigen, befürchtet die S-Bahn.
Die S-Bahn hält es für möglich, dass der Senat bereits vor dem Jahr 2017 ein anderes Unternehmen mit dem S-Bahn-Verkehr beauftragt. "Es besteht das Risiko einer außerordentlichen Kündigung des Verkehrsvertrags", heißt es in dem neuen Geschäftsbericht des Unternehmens für das Jahr 2009. Das Land habe "mit zwei Abmahnungsschreiben die juristische Voraussetzung für eine solche Kündigung gelegt". Der Betrieb der S-Bahn ist seit dem Sommer vergangenen Jahres eingeschränkt. Auf dem Höhepunkt der Krise fuhren nur noch ein Drittel der Fahrzeuge, auf der zentralen Strecke über Bahnhof Zoo, Hauptbahnhof, Friedrichstraße, Alexanderplatz und Ostbahnhof fuhren zeitweise gar keine S-Bahnen mehr.
Anfang dieses Jahres hatte Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die schnelle Kündigung des Vertrages mit der S-Bahn Berlin GmbH noch ausgeschlossen. Dies sei keine realistische Option, da es keinen Anbieter gebe, der kurzfristig einspringen könne. Das S-Bahn-Netz in Berlin sei technisch einmalig - niemand außer der S-Bahn besitze die passenden Züge. Der Geschäftsbericht der S-Bahn, in dem jetzt doch von dem Risiko einer Kündigung die Rede ist, wurde knapp zwei Monate später von der Geschäftsführung der S-Bahn unterzeichnet und jetzt veröffentlicht.
Der Geschäftsbericht weist für die S-Bahn Berlin für das Jahr 2009 einen Verlust von rund 93 Millionen Euro aus. Im Jahr zuvor hatte das Unternehmen, das zum Deutsche-Bahn-Konzern gehört, noch einen Gewinn von rund 56 Millionen Euro gemacht. Ursachen für das schlechte Ergebnis sind gesunkene Einnahmen und gestiegene Ausgaben. Die Länder Berlin und Brandenburg zahlten nur noch 218 Millionen Euro an die S-Bahn - etwa 47 Millionen weniger als im Vorjahr. Der Betrag wurde wegen der vielen Zugausfälle gekürzt. Die Einnahmen aus Fahrkarten gingen um 14 Millionen Euro auf 280 Millionen Euro zurück.
Auf der Ausgabenseite stiegen vor allem die Kosten für Instandhaltungen massiv an. Nachdem die S-Bahn jahrelang ihren Fuhrpark vernachlässigt hatte, stiegen die Kosten innerhalb eines Jahres von 50 Millionen Euro auf 142 Millionen Euro. Beim Personal dagegen sparte das Unternehmen weiter: Zum Ende des Jahres 2009 gab es 2.769 Vollzeitstellen in dem Unternehmen - 17 weniger als ein Jahr zuvor. Auch die Kosten für Aus- und Weiterbildung und sonstige Personalkosten sanken, und zwar um 330.000 Euro auf nur noch 800.000 Euro.
Als Risiko sieht die S-Bahn für die kommenden Jahre auch die "allgemeinen Umfeldrisiken", heißt es in dem Geschäftsbericht: "Unser politisches, rechtliches und gesellschaftliches Umfeld unterliegt einem ständigen Wandel." Das Unternehmen sei aber auf "stabile Rahmenbedingungen" angewiesen. Die S-Bahn will daher versuchen, die Öffentlichkeit und die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen: "Dafür führen wir einen offenen Dialog zu allen relevanten Themen, um unsere Rahmenbedingungen positiv zu beeinflussen oder bestehende Nachteile abbauen zu können."
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