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Russland"Vater aller Bomben" getestet

Moskau will mit der so genannten "Vater aller Bomben" die stärkste nichtnukleare Vakuum-Waffe der Welt entwickelt haben. Sie kann strahlenlos Wohnhäuser zerlegen.

Schreckliche Eigenschaften der Atombombe entlehnt: Bomben-Test im russischen Fernsehen Bild: ap

BERLIN taz Das Wettrüsten zwischen Ost und West geht auch fast zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges weiter. Russlands Präsident Wladimir Putin lässt dank der an den Rohstoffmärkten wiedererstarkten Macht die militärischen Muskeln spielen, um den Amerikanern zu zeigen, dass man das alte Spiel nicht verlernt hat.

Am Mittwoch meldete die russische Armee die Funktionsfähigkeit der so genannten "Vater aller Bomben", eine Vakuum-Waffe - und präsentierte im Inland Propaganda-Fernsehbilder. Die Bombe soll stärker sein als im amerikanischen Arsenal enthaltene vergleichbare Sprengkiller.

Vakuum-Bomben, im Fachjargon je nach genauer Wirkungsweise auch thermobarische Waffen genannt, entlehnen den Atombomben einige schreckliche Eigenschaften, ohne dass es zu einer anschließenden Verstrahlung des Abwurfgebietes käme, da es sich um konventionelle Waffen handelt.

Zur Funktionsweise gehört vor allem die mächtige und kaum zu kontrollierende Druckwelle, die auch ein Vakuum erzeugt. Um es laienhaft zu formulieren: Stirbt man nicht an der Druck- oder Hitzewirkung, rafft einen schließlich der entzogene Sauerstoff dahin. Auch entfaltet das Vakuum zerstörerische Kräfte. Die Druckwirkung hält außerdem wesentlich länger an als bei normalen Sprengmitteln wie TNT; sie kann auch in die Tiefe eindringen. Es wird zudem deutlich heißer.

Bei der Explosion wird der in der Luft enthaltene Sauerstoff bei der Verbrennung mit verwendet. Die zerstörerische Wirkung entfaltet sich in zwei Stufen: Erst wird der Brennstoff in Form eines Aerosols verteilt und dann gezündet. Thermobarische Bomben erledigen dies in einem Schritt, während ihre Vorläufer, die Aerosol-Bomben, die Verteilung des Brennstoffes mit einer kleineren Vorexplosion steuern.

Die in der Atmosphäre gezündete "Vater"-Waffe der Russen wurde in einem Fernsehbericht präsentiert, der auf den staatlichen Fernsehsendern "ORT" und "Vesti" lief. In dem Beitrag sagt der Vizestabschef der russischen Streitkräfte, Alexander Rukschin, die nun getestete Waffe sei mit keiner anderen ihrer Art auf der Welt vergleichbar. Sie sei so "effizient und leistungsfähig wie eine Nuklearwaffe". Das russische Militär ließ den Testsprengsatz von einem Tupolev Tu-160-Bomber über einem Militärgelände abwerfen.

Die Bilder im russischen Fernsehen sollten beeindruckend wirken - was mit Blick auf die weltweite Medienresonanz durchaus gelang. Die Kamera schwenkte nach der Explosion über ein mehrstöckiges Wohngebäude, das nur noch aus Schutt und Asche bestand. Neben der nationalen Sicherheit, betonte Rukschin, solle die neue Waffe auch sicherstellen, dass Russland im Kampf gegen den internationalen Terrorismus "jederzeit und überall einsatzbereit" sei. Auf Nachfrage wies das russische Verteidigungsministerium darauf hin, dass mit der Entwicklung der neuen Waffe keine bestehenden Sperrverträge verletzt worden seien. Auch um das Wettrüsten ginge es dem Land mit der frischen Bombe nicht.

Trotz aller Beteuerungen: Die russischen Forscher müssen dennoch stets auf ihre amerikanischen Konkurrenten geblickt haben. Dort zündete man 2003 einen Sprengsatz mit dem Codenamen "MOAB" ("Massive Ordnance Air-Burst Bomb"), der als bislang stärkste konventionelle Bombe galt. Das Kürzel wird auch mit "Mütter aller Bomben" übersetzt, was die Russen nun für die "Vater"-Anspielung nutzten. Angeblich ist die russische Entwicklung vier Mal stärker als die "MOAB". Die verwendete Technologie ist jedoch eine andere als die bei russischen Vakuum-Bombe. Die Amerikaner wollten die Waffen mit großer Druckwelle auch zur psychologischen Kriegsführung im Rahmen ihrer "Shock and Awe"-Taktik einsetzen.

Der laut Presseberichten letzte Einsatz thermobarischer Waffen soll im Frühjahr 2002 erfolgt sein - auf der Jagd nach dem Al-Qaida-Chef Bin Laden wurden einzelne Höhlenanlagen in Afghanistan damit bombardiert. Eine frühere Form der Waffen wurde auch im Vietnam-Krieg eingesetzt.

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