Russland: Putin wird Menschenrechtler

Russlands Präsident engagiert sich für Bürgerrechte - jenseits seiner Landesgrenzen. In Brüssel will er ein Institut für Menschenrechte gründen - ohne die EU zu beteiligen.

Menschenrechtslage in anderen Ländern kritisieren? Das kann der Kremelchef auch. Bild: dpa

MOSKAU taz Russland sorgt sich um die Einhaltung der Menschenrechte in Europa. Das ließ Präsident Wladimir Putin auf dem EU-Russland-Gipfel im portugiesischen Mafra vergangene Woche durchblicken. Der Kremlchef kündigte an, in Brüssel ein "Russisch-europäisches Institut für Freiheit und Demokratie" zu gründen, das sich mit der Lage von Minderheiten sowie der Überwachung von Wahl- und Bürgerrechten befassen soll.

Portugals Ministerpräsident José Sócrates hatte das Ansinnen Putins zunächst begrüßt. Doch war dem ein Missverständnis vorausgegangen, das Putins EU-Beauftragter Sergej Jastrschembski rasch korrigierte. Keineswegs beabsichtigt der Kreml eine gemeinsame Einrichtung mit der EU. Der Kreml begründete das Vorhaben auch mit der günstigen Wirtschaftslage in Russland. Früher sei dergleichen "Luxus" gewesen, heute könne sich Russland das erlauben. Die EU finanziert in Russland zivilgesellschaftliche Einrichtungen mit 70 Millionen Euro, mit gleichen Mitteln soll auch das neue Institut in der EU ausgestattet werden.

Hinter dem russischen Engagement dürfte mehr als die Sorge um die Lage der Menschenrechte in Europa stecken. Seit Jahren ist der Kreml verärgert über die Kritik am Zustand der russischen Demokratie und die westliche Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen. Dies schlug sich in einer Verschärfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für ausländische regierungsunabhängige Organisationen in Russland nieder.

Seit langem geistert der Plan durch den Kreml, im Herzen Europas eine Behörde zu verankern, die sich mit russischer Gegenaufklärung befasst. Auge um Auge, Zahn um Zahn - ist das treibende Motiv, das die alten Fachleute für Diversion aus dem sowjetischen Geheimdienst ausgeheckt haben. Ihre Aufgabe besteht darin, den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Aufschwung und Verschlechterung der Menschenrechte zu verschleiern und neue Verbündete zu suchen.

Berichte von Freedom House, Transparency International oder der Weltbank, die der Demokratie und Rechtssicherheit in Russland mit jedem Jahr schlechtere Noten ausstellen, provozieren in Moskau regelmäßig wütende Aufschreie. Vor allem dann, wenn sich Moskau in der Rangliste in wenig respektabler Nachbarschaft wiederfindet. Die Effektivität der russischen Bürokratie ist laut der letzten Weltbankstudie (Juli 2007) mit der Nigers, Kameruns, Pakistans und Saudi-Arabiens zu vergleichen. Einem Mord zum Opfer zu fallen, ist in Russland fast doppelt so wahrscheinlich wie in Ruanda.

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