Russland vor den Wahlen: Putin setzt Kasparow matt
Die Wahlen nächste Woche hat Präsident Putin schon so gut wie gewonnen. Trotzdem wurden am Wochenende über 200 Oppositionelle festgenommen - und Kasparow zu fünf Tagen Haft verurteilt.
MOSKAU taz Eine Woche vor den Parlamentswahlen haben russische Sicherheitskräfte nach einer Demonstration in Moskau Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow festgenommen. Der Oppositionsführer der Anti-Putin-Koalition das "Andere Russland" wurde noch am selben Abend einem Friedensrichter vorgeführt und zu fünf Tagen Haft verurteilt.
Zuvor war es am Rande einer Demonstration in Moskaus Stadtzentrum zu einem Handgemenge zwischen den Spezialeinheiten des Innenministeriums Omon und Teilnehmern der Protestveranstaltung gekommen. Außer Kasparow wurden noch rund vierzig weitere Demonstranten festgesetzt. Ihnen soll an diesem Montag der Prozess gemacht werden.
Kasparow jedoch wurde in einem Eilverfahren abgestraft. Das Gericht verurteilte ihn wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und Verstoßes gegen die Demonstrationsordnung. Dem Radiosender Echo Moskau sagte Kasparow, dass seine Anwälte mehrere Stunden daran gehindert wurden, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Nach Angaben der Anwälte kam es auch während der Verhandlung zu einer Reihe von Ungereimtheiten. Die Zeugenaussagen der Sicherheitskräfte widersprachen sich in wichtigen Details wie Ort und Zeitpunkt der Festnahme. Andere Zeugenprotokolle waren im Wortlaut fast identisch gewesen.
Die Kundgebung im Zentrum war von den Moskauer Behörden genehmigt, der anschließend geplante Demonstrationszug zum Zentralen Wahlkomitee jedoch verboten worden. Den Vorwurf des Gerichts, Kasparow hätte dennoch zum "Marsch der Andersdenkenden" aufgefordert, konnten die in den Zeugenstand gerufenen Ordnungskräfte indes nicht bestätigen. Sie gaben an, von ihren Vorgesetzten den Befehl erhalten zu haben, den Oppositionspolitiker festzunehmen.
Für Verwunderung sorgte auch, dass das Gericht am Samstagabend gegen 22 Uhr die Verhandlung zunächst verschieben wollte. Die Richterin Julia Sasonowa hatte den Gerichtssaal bereits verlassen, kehrte nach fünf Minuten jedoch zurück und setzte die Verhandlung fort.
Kasparow hielt dies für einen Hinweis des in Russland nicht ungewöhnlichen "Telefonrechts". Dahinter verbirgt sich meist ein Anruf von Politikern, die auf die Justiz Druck ausüben. Kasparow vermutet, dass er an der Fahrt nach Sankt Petersburg gehindert werden sollte, wo am Sonntag ebenfalls ein Marsch der Andersdenkenden stattfand.
Auch in Petersburg wurden rund 200 Oppositionelle unter dem Vorwand festgenommen, gegen behördliche Auflagen verstoßen zu haben. Unter ihnen waren Nikita Belych und Leonid Gozman, die Vorsitzenden der liberalen Partei Union der Rechtskräfte (SPS).
An der Kundgebung in Moskau hatten rund 3.000 Demonstranten teilgenommen. Auch dort schlossen sich erstmals Politiker der SPS dem Protest an. Bislang war die Partei dem heterogenen Oppositionsbündnis eher mit Vorbehalten begegnet. Nach Übergriffen auf Parteimitglieder und Überfälle auf ihre Büros gab die SPS letzte Woche dann jedoch bekannt, sich an den "Märschen der Andersdenkenden" zu beteiligen. Der prominente Präsidentschaftskandidat der SPS, Boris Nemzow, sagte auf der Kundgebung: "Putin ist ein Feigling. Wir haben einen Feigling gewählt. Er hat Angst vor friedlichen Menschen." In Petersburg wurde Nemzow verhaftet und nach zwei Stunden auf der Polizeiwache wieder freigelassen.
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