■ Rußland braucht die Hilfe der internationalen Bürgergesellschaft: Demokratie kann man nicht kaufen
Die Krise in Rußland hat Kritik an der bisherigen Wirtschaftshilfe des Westens ausgelöst. Der Internationale Währungsfonds (IWF) muß sich den Vorwurf gefallen lassen, zu wenige oder die falschen Bedingungen an die Vergabe der Kredite zur Stabilisierung des Rubels gestellt zu haben. Bei der Suche nach Schuldigen für die fatale Situation in Rußland werden in bunter Reihe die Asienkrise, die Politik des IWF, der verfallende Weltmarktpreis für Gas und Öl und die korrupte und mafiöse Finanzoligarchie in Moskau an den Pranger gestellt.
Der Westen, der ein Interesse an einem wirtschaftlich stabilen und politisch berechenbaren Rußland hat, kann zumindest eine Lehre ziehen: Milliardenunterstützungen für ein System, das ohne politische Kultur und weitgehend ohne demokratische Kontrolle agiert, sind für allerhand Überraschungen gut. Der Versuch, Rußland „von oben“ mit Beratereinsätzen und Milliardenkrediten zu stabilisieren, ist fürs erste fehlgeschlagen. Bricht jetzt eine Phase der kritischen Umorientierung des Westens an? Man möchte es wünschen. Wenn der Westen nicht nur aus Eigeninteresse, sondern auch aus historischer Verpflichtung Rußlands Weg in die Demokratie weiter begleiten will, tut er gut daran, den Blick bei der Suche nach Bündnispartnern zu weiten: vom Zentrum in die Regionen, von der Zentralbank zu den Klein- und Mittelbetrieben, vom Regierungssitz im Kreml zu den Akteuren der Zivilgesellschaft im ganzen Land.
Demokratie kommt von unten – auch in Rußland. Der nichtstaatliche Sektor ist in Rußland im Moment der Bereich, wo die Voraussetzungen für die Entstehung einer Zivilgesellschaft gelegt werden. Hier kann und muß der Westen investieren – in die politische Bildung, in die Förderung der Gemeinwesenarbeit, in die Ermutigung von Bürgerinitiativen und Rechtsschutzorganisationen, die in den russischen Städten im Laufe der letzten Jahre entstanden sind. Hier entsteht politische Stabilität. Hier findet der Westen die Partner, denen an der Demokratisierung in Rußland gelegen ist und durch deren Unterstützung er sich Überraschungen wie die der letzten Augusttage in Zukunft vielleicht ersparen kann.
Welchen Kurs die neue russische Regierung unter dem ehemaligen Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes einschlagen wird, kann im Moment nur vermutet werden. Menschenrechtsorganisationen und Bürgerinitiativen in den russischen Regionen zählen heute mehr denn je auf die Solidarität der internationalen Bürgergesellschaft. Wir sollten sie nicht enttäuschen. Stefanie Schiffer
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