Russische Fußballer im Test gegen Kuba: Stummer Trainer
Nach dem 8:0 des russischen Fußballnationalteams gegen Kuba gibt es nur wenig zu erzählen. Dafür entspinnt sich doch glatt eine Hymnendiskussion.
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E s muss ein schrecklicher Tag gewesen sein in Wolgograd. Der Reporter der Fachpostille Sowetski Sport schildert den Montag in der südrussischen Millionenstadt in den finstersten Farben. Der Nebel sei so dicht gewesen, dass es ein Rätsel sei, wie sich die Autofahrer in den noch dazu schlecht beleuchteten Straßen zurechtgefunden hätten.
Die Menschen in der Stadt, in der im Winter der Frost besonders brutal und im Sommer die Hitze unerträglich sei, hätten es eh nicht leicht, schreibt Andrej Tupikow. Das mache sie hart. Auch von den riesigen Pfützen, die sich nach tagelangen Regenfällen gebildet hatten, haben sich die Menschen nicht abschrecken lassen und sind trotz alledem zu Tausenden ins WM-Stadion von 2018 gepilgert, um sich das Spiel der russischen Fußballnationalmannschaft gegen Kuba anzuschauen.
In der Karibik war der russische Fußballverband, der von den Qualifikationsspielen zur EM im kommenden Jahr wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen ist, bei der Suche nach einem Gegner für die im internationalen Fußballkalender festgeschriebene Länderspielfenster also fündig geworden. Wer den kubanischen Verband im Ranking der Fifa finden möchte, sollte die Auflistung von hinten her durchschauen. Auf Platz 169 steht Kuba da. Das 8:0 der Russen am Montagabend darf demnach getrost als standesgemäß bezeichnet werden. Über das einseitige Spiel gibt es nicht viel zu erzählen.
Und so ist es kein Wunder, dass die Erinnerung an das 8:0 der UdSSR gegen Kuba beim olympischen Fußballturnier 1980 in der Rückschau in etlichen Medien fast ebenso viel Raum einnimmt wie die sportliche Nachbetrachtung des Spiels. „Tradition ist wichtig“ witzelte der Sport-Express auf seinem Telegram-Kanal zu einem Bild, das die beiden 8:0-Erfolge miteinander in Verbindung brachte.
Hostessen in Weltkriegsuniform
Bezüge zur Sowjetzeit werden in Wolgograd traditionell gerne gezogen. So begrüßte die Stadt, die im Zweiten Weltkrieg unter dem Namen Stalingrad globalen Ruhm erlangt hat, das kubanische Team, indem es Hostessen in Weltkriegsuniformen der Roten Armee steckte, in denen diese dann den Gästen zur Begrüßung Kuchen reichten.
Und weil es über das Spiel nicht viel zu sagen gab, außer dass es der zweithöchste Sieg einer russischen Auswahl nach einem 9:0 im Jahre 2019 gegen San Marino war, entspann sich eine ganz andere Debatte. Nationaltrainer Waleri Karpin hatte wieder mal die Hymne nicht mitgesungen. Warum er nicht mitsingen würde, wurde er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gefragt. „Keine Ahnung“, meinte Karpin darauf. Ob er denn den Text kenne. „Klar, jeder kennt den Text. Der eine singt mit, der andere nicht.“ Aber die Hymne sei doch ein nationales Symbol und er ein Vorbild. Wenn es über den Fußball nicht viel zu sagen gibt, dann entspinnt sich wenigstens eine Hymnendiskussion. In Deutschland kennt man das ja auch.
Natürlich hat sich schnell auch ein Politiker gefunden, der zum Sängerstreit seinen Senf hinzugegeben hat. Der Duma-Abgeordnete Dmitri Switschtschew verteidigte Karpin gegen den Vorwurf, ein vaterlandsloser Geselle zu sein. „Er ist ein verantwortungsvoller Mensch und das Spiel war schwer. Wir haben alle gesehen, dass es nicht einfach war.“ Wie Swischtschew zu dieser Einschätzung kommt, bleibt wohl ein Rätsel. Vielleicht liegt es daran, dass der Präsident des russischen Curling-Verbands von Fußball einfach keine Ahnung hat.
Aber selbst dann hätte er schon wissen können, welche Amateure da aus Kuba angereist waren. Die jedenfalls gingen nach ihrer Ankunft erst einmal in ein Einkaufszentrum, um sich Fußballschuhe mit Stollen zu kaufen. Solche waren in Kuba nicht aufzutreiben. Und in Wolgograd nach den ergiebigen Regengüssen der vergangenen Tage mit Noppenschuhen zu spielen, wäre gewiss keine gute Idee gewesen. Das Wetter. Siehe oben.
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