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Russisch-serbische EnergiepolitikMoskaus Griff nach dem Balkan

Russlands Präsident Dmitri Medwedjew wird am Dienstag in Belgrad erwartet. Bei seinem Besuch geht es vor allem um eine vertiefte Zusammenarbeit im Energiesektor.

Blick durch eine Gazprom-Pipeline in der Ukraine. Bild: ap

Eine 300 Kilo schwere, bronzene Büste des russischen Dichters Alexander Puschkin steht seit Montag in einem Park in Belgrad. Der russische Botschafter in Serbien eröffnet eine Fotoausstellung "Die Seele Russlands". Kinder aus serbischen Enklaven im albanischen Kosovo demonstrieren ihre Dankbarkeit gegenüber Mütterchen Russland, das die Unabhängigkeit der Wiege des Serbentums von Serbien nicht anerkennt. Einhundert Trompeter sollen zu Ehren des russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew serbische und russische Lieder spielen.

Es ist offensichtlich, dass Belgrad am Dienstag einen Freund empfängt. Und so ist auch die Stimmung in der serbischen Hauptstadt trotz der üblichen massiven Sicherheitsvorkehrung entspannt. Ganz im Gegensatz zum Besuch des US-Vizepräsidenten Joe Biden im vergangenen Mai, als ganze Stadtviertel abgeriegelt waren. Aus dem politisch frostigen Belgrad reiste Biden weiter nach Sarajevo und Prishtina und ließ sich dort bejubeln.

Die Einflusssphären der Großmächte auf dem Balkan scheinen schon markiert zu sein. Medwedjew kommt mit einer etwa einhundert Mann starken hochkarätigen Wirtschaftsdelegation nach Belgrad, der unter anderem der Vorsitzende der Gazprom, die Direktoren der Russischen Eisenbahn, der Moskauer Bank sowie von Lukoil angehören.

Die Zusammenarbeit im Energiesektor zwischen Moskau und Belgrad sei eine strategische Priorität, erklärte Russlands Minister für Notfallsituationen, Sergei Shoigu, vor dem Besuch. Er betonte, dass Serbien einer der wichtigsten Knotenpunkte auf dem europäischen Gaszulieferungsmarkt werden soll. Russland und Serbien haben einen Energiestaatsvertrag unterzeichnet, der den Bau der Southstream-Pipeline durch Serbien vorsieht. Die Gazprom hat den größten serbischen Erdölkonzern NIS und den Untertagesspeicher für Erdgas, Banatski Dvor, gekauft. Dessen Kapazität soll vergrößert werden.

Unlängst sagte Russlands Finanzminister Alexei Kudrin Serbien einen Kredit in Höhe von 1 Milliarde Euro zu. Damit sollen Löcher in der serbischen Staatskasse gestopft, der Großteil jedoch für Infrastrukturprojekte verwendet werden, die russische Firmen realisieren sollen. Der Einstieg der Gazprom-Bank in den serbischen Finanzmarkt wird in Aussicht gestellt.

Nachdem der EU-Beitritt Serbiens jahrelang eine strategische Priorität von Staatspräsident Boris Tadic war, zeichnet sich nun ein zweiter Strang serbischer Außenpolitik ab. Die finanzielle Unterstützung des Westens reicht für das wirtschaftlich ruinierte Land nicht aus. Zudem ist diese indirekt stets an politische Bedingungen geknüpft, wie die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen.

Nun versucht Tadic einen Spagat zwischen West und Ost, wie ihn Josip Broz Tito im Kalten Krieg erfolgreich vorgeführt hat. Tadic hofft, dass die EU Serbien rasch Zugeständnisse machen wird, um zu vermeiden, dass das Land ein Standbein russischer Politik auf dem Balkan wird.

Russland hat sich als ein treuer Partner Belgrads in der Nicht-Anerkennungspolitik der Unabhängigkeit des Kosovo erwiesen. Russische Unterstützung erwartet Tadic auch in Bosnien. Dort erhöhen die USA den Druck auf die bosnischen Serben, einer Verfassungsreform zuzustimmen, und erwarten diesbezüglich eine äußerst schwierige Zusammenarbeit mit Serbien.

Die USA haben maßgebend Einfluss auf den IWF und die Weltbank, von denen Belgrad günstige Kredite in Milliardenhöhe erwartet. Vor 65 Jahren hat die Rote Armee Belgrad von der Besetzung durch die Nationalsozialisten befreit. Damals sind die Russen weitergezogen.

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15 Kommentare

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  • I
    ichweißes

    Meiner Meinung nach kann man diese Aktion mit der Trotzkisten-Mentalität erklären. Alle Nationen machen das durch, die mal größer und mächtiger waren oder es glaubten zu sein und dies nicht mehr sind oder glauben es nicht mehr zu sein.

    Das kennen wir doch auch von Deutschland nach dem 1. Weltkrieg, von den Briten nach dem 2. Weltkrieg, wo sie eins nach dem anderen die Kolonien verloren, aktuell von den USA, wo die Welt nun multipolarer wird, von Russland nach der Wende, von Ungarn nach dem Vertrag von Trianon, von Serbien nach dem Zerfall Jugoslawiens, von den Polen, auch ganz akutell usw usw. Manche brauchen halt länger..

  • H
    harri

    Offensichtlich hat Serbien seine Lektion immer noch nicht gelernt. Die Abtrennung des Kosovo war doch eine gutgemeinte Warnung. Serbien besteht immerhin noch weiter. Allerdings sollte es sich seine Freunde sorgfältig auswählen...sonst kommt der große demokratische Freund wieder...mit noch mehr Bomben...

  • G
    gregor

    @Marion

     

    Von dem russischen Standpunkt aus haben die Serben Kosovo selbst aufgegeben, indem sie nicht mehr kämpfen wollten. Wenn Russland heute Kosovo nicht anerkennt, so wird es nicht wegen Serbien gemacht, sondern aus der Logik der neuen multipolaren Welt heraus. Balkan ist zurzeit eine europäische Provinz ohne viel Bedeutung für Russland.

  • G
    GWalter

    Wer spricht eigentlich einmal von der immer noch geltenden Weltmachtpolitik der USA?

     

    Gerade die USA sind es doch die sich permanent überall einmischen und letztlich immer die Machtübernahme aller Länder anstreben um sich deren Ressourcen oder Einflußsphären zu sichern!

     

    Die Monroe-Doktrin vom 02.Dezember 1823 und der Roosevelt-Zusatz zur Monroe-Doktrin vom 06. Dezember 1904 sind IMMER NOCH die Fundamente für Expansionismus und Interventionen, die das schlimmste Elend, den Tod und die Verarmung von Millionen Menschen in Lateinamerika und in der ganzen Welt verursacht haben.

     

    Davon lebt eine große Zahl von Industrien in den USA, besonders natürlich die Waffenlobby zu der Bush gehört.

     

    Dieser Wille wird mit allen Mittel wie Intrigen und Kriegsprovozierungen (Kaukasus-Konflikt), sowie durch Finanzierung williger Gehilfen

    (in Russland, Kasparow und Chdorkowski) bisher erfolglos durchgeführt!

     

    Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ach so hochgelobte Obama an diesen herrschenden Machtkonstellationen der Lobbys uns US-Eliten etwas ändern könnte...selbst wenn er wollte!

  • M
    Marion

    Der Artikel ist sachlich, nüchtern, unaufgerägt und präzise. Gefährlich bleibt es allerdings, dass Russland nicht einmal den Versuch unternimmt einen bestimmten Standpunkt zu vertreten. Etwa wird die Nichtanerkennung Kosovos, durch Russlands Politik gegenüber Abhasien und Südossetien komplett konterkariert. Sollte sich Serbien, aufgrund russischer Förderung verstärkt an seine Politik der '90-er orientieren, vertut es große Chancen. Die Gefahr dafür ist latent.

  • BK
    Bela Kita

    Sale, ich habe keinen Arno, was Du sagen wolltest. Ich stimme Miga auch zu, aber den Rest hättest Du dir sparen können.

  • NK
    Nada Kurcic

    Anstatt dem Griff des Bären nach dem Balkan sollte sich der Andrej öfter mal an den Kopp greifen...aber Vorsicht: Verbrennungsgefahr!

  • DJ
    Debela Jaja

    hoffen wir, dass Miga und Popu Recht behalten. Und Ihr, Andrej, Erich und Andreas: setzen, sechs!

     

    Ihre Debela

  • S
    sale

    Miga Popushi-Andrej Ivanji/Erich Rathfelder..

    Richtig mein ich auch!

    NEIN wir vergessen all diese Hass/Hetzberichte nicht-zumal sie nicht aufhören!!

    Interessanterweise aber stört ihn die Deutsche Machtpolitik überhaupt nicht(Russophobie inbegriffen)!

    ICH als Serbe respektiere mein Volk(GLEICH IN WELCHEN GRENZEN AUCH IMMER SIE GETEILT WURDEN)ihre Vergangenheit insbesondere-

    beinahe MEHR,als irgendein Volk in Europa!!!

    Journalisten wie Ivanji u.ä saubermänner aus Serbien,würden für ein bishen mehr Deutsch Mark auch...Miga Popushi-stimme dir zu 100%zu!!!

  • PB
    Peter Bitterli

    Ja, und?

    Es ist wohl lediglich vernünftig und friedensfördernd, wenn Russland angesichts der Tatsache, dass es von einigen mentalitätsmässig vorgestrigen Staatenlenkern aus Europa herausgemobbt werden soll, sich gemeinsame Partner sucht. Die Ukraine wäre für so eine Rolle ja ebenfalls prädestiniert. Sie wird sie ab dem nächsten Jahr auch dankenswerterweise wieder spielen.

    Mannomann: ES GIBT KEINEN OST-WEST-KONFLIKT MEHR!!

    Wann begr dasauch die TaZ?

  • PS
    Popu Shiga-Sebi

    Netter Name Herr Miga!

     

    Mit Russlands und Chinas Hilfe wird alles besser!

     

    Jaja (=> brauch ich wohl nicht übersetzen)

  • MP
    Miga Popushi

    Herr Ivanji, worum geht es denn in Ihrem Bericht überhaupt? Sie hätten erwähnen sollen, dass der Westen inklusive Deutschland Serbien in einem auf US-Propaganda basierendem Angriffskrieg "in die Steinzeit" gebombt hat. Die gesamte Infrastruktur und Industrie wurden zerstört. Jetzt hilft Russland, den Schaden etwas zu beheben und Serbien die Rolle zurückzugeben, die ihm zusteht: die Führungsrolle auf der Grundlage des institutionell am besten ausgestatteten Balkanlandes. Darüber können sie und Ihre braun angefärbten Neocon-Brüder Rathefelder und Zumach nicht hinwegtäuschen. Wir vergessen Ihre Berichterstattung der Neunziger nicht - machen Sie sich da keine Illusionen. Sie sind moralische Unterstützer der Zerschlagung Jugoslawiens zu Lasten des serbischen Volkes.

     

    Popushi Miga

  • G
    gregor

    Ist schon witzig, dass die TAZ gerne in der Sprache des Kalten Krieges - "Griff nach dem Balkan" - lebt. Sie ist reißerisch und lockt einen geBILDeten Leser.

  • HN
    Herr Neno

    Die Textstelle, in der Tadic mit Tito verglichen wird, finde ich interessant. Obwohl der Vergleich hinkt.

    Naja, der eine ist zwar das Beste, was Belgrad heute politisch zu bieten hat, aber der andere war der wohl größte Pokerspieler der Weltpolitik.

     

    Die Textstelle, in der verglichen wird, ob Joe Biden oder Dimitri Medvedev herzlicher in Belgrad empfangen wird ist dagegen "Kokolores".

  • M
    manfred (57)

    Der Autor vergißt eines: Rußland und Gazprom heißt in diesem Falle auch E.ON Ruhrgas.