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Rundstücke statt Verwandte

■ „Familiensonntag“ in der Fabrik mit dem „Theater Zeppelin“

Früher stand Mama sonntags meistens extra früh auf, um den Braten vorzubereiten. Obwohl wir Kinder gar nicht gerne Fleisch aßen, war das toll, denn es hieß: die Verwandtschaft kommt gleich zu Besuch. Eine lange Tafel, essen, reden, spazierengehen, Quatsch machen, im Garten rumtoben – perfekte Wochenenden!

Die Zeiten haben sich nicht sehr geändert, denn das wichtigste am Sonntagmorgen, die Sendung mit der Maus, gibt es noch immer. Danach sind gestern ziemlich viele Kinder mit ihren Eltern zum Toben in die Fabrik gegangen – die Armen haben sicher keinen Garten. „Familiensonntag“ heißt sowas, ist aber nahezu oma- und opafrei.

Einige Kinder hatten ihre Gesichter bunt angemalt – die Armen dürfen das wohl sonst nicht. Und Theater gab es auch noch: Das kriegen wir schon gebacken! hieß das Stück für vier- bis fünfjährige Kinder, dessen Premiere das Theater Zeppelin feierte.

Stephanie Grau und Axel Pätz spielten das multikulturelle Bäckersgehilfenpaar Lulu und Antonio, dessen Chef im Stau steckt, und das nun allein sehen muß, wie es die Brötchen zustande kriegt. Gesang und Klamauk, ein bißchen Akrobatik und vor allem ordentlich viel Rumgematsche mit Brotteig boten die beiden zum Quietschvergnügen ihrer Zuschauer.

Sichtlich gelangweilt drängelten sich dagegen am Ende so einige sichtlich appetitlose Knirpse bei der Brötchenverteilung. Vielleicht wollten sie ihren Eltern ja nur die Besorgnis ersparen, von wegen „nicht drängeln = wegerzogene Instinkte“ oder so? Ach ja, und die Brötchen waren eigentlich Rundstücke, also diese glatten Dinger ohne Schnitt. Zufall oder Anti-Sex-ismus-Kampagne?

Auffällig auch, daß ziemlich viele Väter allein mit ihren Sprössen gekommen waren. Die Mütter mußten wohl zu Hause den Braten beaufsichtigen, weil sich für das verspätete Mittagessen Verwandtschaft angekündigt hatte.

Nele-Marie Brüdgam

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