Rundfunkgebühren: Krieg der Leuchttürme

Deutschlands Verleger sehen sich von den Internet-Plänen von ARD und ZDF in ihrer Existenz bedroht. Obwohl diese viel zu unkonkret sind.

Leuchtturm in der Content-Flut. Bild: dpa

Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Alle deutschen Zeitungen und Zeitschriften außer der taz werden übermorgen "durch Zwangsgebühren enteignet". Das sagt so zumindest der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.

Gemeint sind natürlich die satten 7 Rundfunkgebühren-Milliarden für ARD, ZDF und Deutschlandfunk/Deutschlandradio, mit denen die öffentlich-rechtlichen Sender immer noch nicht zufrieden sind: Sie wollen künftig noch mehr, um auch im digitalen Zeitalter den "Gebührenzahlern im Meer der Content-Angebote Leuchttürme der Orientierung und Verlässlichkeit zu bieten" (ARD-Sprech).

Der Zeitschriftenverlegerverband VDZ) sekundierte unlängst in der Süddeutschen: "Wir sehen die Basis der freien Presse und die Vielfalt in der digitalen Welt bedroht." Die Synthese, also die "Enteignung der freien Presse", hatte die FAZ schon lange vor den Verlagslobbyisten vor gut zwei Wochen im Leitartikel besungen und erklärt: "ARD und ZDF nutzen die Gebühren für fachlich Fremdes." Gestern legte die Welt am Sonntag auf einer ganzen Seite nach: "ARD und ZDF im Expansionsrausch".

Worum aber bitte geht es wirklich? ARD und ZDF haben mehr oder weniger ausgefeilte Positionspapiere vorgelegt, wie sie in der digitalen Welt zu verfahren gedenken. Eigene Sendungen sollen noch mehrere Tage nach dem Austrahlungstermin "on demand" im Internet abrufbar sein. Dazu hat die EU-Kommission ARD und ZDF den Betrieb von jeweils drei Digitalkanälen zugestanden (es gibt sie längst, sie heißen ZDF Theaterkanal, ZDF doku oder EinsFestival und senden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit). Die "Tagesschau" soll künftig auch in einer Version für Mobiltelefone auf Sendung gehen (Handy-TV), und natürlich sehen alle gebührenfinanzierten Programmanbieter ihr Heil im Internet, das schon bald zum wichtigsten Vertriebsweg für das werden wird, was wir heute etwas altmodisch Fernsehen nennen.

"Laut Gesetz erstreckt sich der Auftrag der öffentlichen Sender bisher nur auf TV und Hörfunk", pocht VDZ-Mann Fürstner in der WamS dagegen auf ein längst vergangenes Gestern: Selbst die ARD und ZDF nicht sonderlich wohl gesinnte, weil lieber auf privaten Medienwettbewerb setzende EU-Kommission ist da weiter. Dass deutsche Verleger eher rückwärtsgewandte Kriege ausfechten, ist nun nicht eben neu. Also haben sie etwas ungeschickt ihre Welt- bzw. Presseuntergangsbeschwörungen in die in dieser Frage natürlich ganz unabhängig berichtenden Blätter lanciert. Als Ouvertüre für ein Spitzengespräch mit den öffentlich-rechtlichen Intendanten, das demnächst stattfinden soll. - Warum es ein solches Gipfeltreffen nicht längst gegeben hat, wundert dabei nicht nur ARD-Insider.

Nun sind nicht alle Verleger-Beispiele für Online-Fehlverhalten der Öffentlich-Rechtlichen von der Hand zu weisen: Das ZDF braucht auf seinen Sportsites keine Videospielchen, das WDR-Jugendradio 1live keinen Dating-Channel etc., etc. Doch wenn die Rettung der deutschen Presse allein da von abhängt - au Backe!

Denn das Problem der Digitalstrategie von ARD und ZDF liegt anderswo: Es gibt sie gar nicht. Die "Content-Leuchtturm"-Baumeister fischen im Nebel. Man finde ja gar kein echtes Konzept, sondern eine Anhäufung von schwammigen Absichten, heißt es auch aus Kreisen der Medienpolitik. Die öffentlich-rechtlichen Sender müssten endlich klar sagen, was sie sich vorstellen und was davon Priorität habe.

Martin Stadelmeier (SPD), als Chef der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz so etwas wie der Primus inter pares der deutschen Medienpolitik, hat Ende der Woche in Berlin mehr "Gelassenheit und Augenmaß" in der Debatte gefordert: Die 100-Sekunden-"Tagesschau" fürs Handy stelle "medienrechtlich keinerlei Problem" dar. Dass nun die Sender, wie von den Verlegern behauptet, derzeit am laufenden Band vollendete Tatschen schaffen könnten, weil die von der EU-Kommission erlassenen engen neuen Spielregeln erst 2008 greifen, will die Medienpolitik auch vereiteln: Mit den Anstalten soll ein Agreement getroffen werden, das vorsieht, schon heute und ab sofort die EU-Spielregeln anzuwenden.

Dass sich ARD, ZDF & Co darauf einlassen, gilt als sicher. Schließlich wird parallel gerade über die nächste Gebührenerhöhung diskutiert.

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