■ beiseite: Rumpelkammergala
Die Verleihung des Bundesfilmpreises fällt in diesem Jahr mit dem hundertsten Geburtstag des Kinos zusammen. Klar, daß das diesmal ganz groß gefeiert werden soll, zumal in Berlin, wo die Brüder Skladanowski im Wintergarten die Geburt des Kinos einleiteten. Bevor nun morgen abend im Friedrichstadtpalast vor ausgewähltem Publikum die Preisverleihung über die Bühne geht, findet heute abend in der Waldbühne eine „Gala für alle“ statt. Ab 19 Uhr werden 100 Jahre deutsches Kino gefeiert, Günter Jauch wird das Ganze moderieren, und die Liste der geladenen prominenten Gäste ist lang.
Schon im Einlaßbereich wird das Publikum aufs Thema eingestimmt: Es wird durch Filmkulissen und Dekorationen spazieren, und „Kleindarsteller in Rokoko- Kostümen“ werden sich Fechtszenen liefern und kleine, wohlgewählte Wortwechsel haben. Um 20 Uhr beginnt eine von zwei Stuntshows mit Motorrädern, Brandszenen und der ausführlichen Demonstration von Kinnhaken und Ohrfeigen – so wird's gemacht im Kino.
Bis zum strikten Ende der Veranstaltung um 0.30 Uhr mit Wasserfontänen und Wasserfall (vorgesehene Berieselungsdauer: eineinhalb Minuten) sind aber – 100 Jahre deutsches Kino! – natürlich auch Filme zu sehen. Regisseur Joseph Vilsmaier hat – als Einstimmung gewissermaßen – eine Collage mit Ausschnitten quer durch 100 Jahre deutsche Filmgeschichte zusammengestellt: von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ bis hin zu „Schtonk!“.
Die Regisseure Volker Schlöndorff, Wolfgang Petersen und Sönke Wortmann sind noch einen Schritt weitergegangen: Statt eine Szenencollage aus drei ihrer (national und international) erfolgreichsten Filme zu erstellen, haben sie sich bereit gefunden, eine jeweils 30minütige Kurzfassung davon zusammenzuschneiden, also das, was ihnen selbst daran am besten gefallen hat. Das erscheint denn ja doch ein bißchen eigentümlich, denn für gewöhnlich ringen Regisseure ja ums Ganze, streiten sich mit Cuttern und Produzenten um jede Minute ihres Films. Im Gespräch mit Günter Jauch werden sie die forsch als „director's cut“ bezeichneten mundgerechten Häppchen erläutern. Zu sehen sind wohl also noch mal die schönsten Szenen aus „Die Blechtrommel“, „Das Boot“ und „Der bewegte Mann“. Das alles erinnert irgendwie an Willy Schwabes Rumpelkammer oder ein Potpourri „Die besten Stellen aus Beethovens Neunter“ der Berliner Philharmoniker. Aber vielleicht kann es auch spannend werden, zu sehen, ob eine Geschichte wie „Das Boot“ auch in einer halben Stunde zu erzählen gewesen wäre. Wenn das die Produzenten erfahren!
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