Ruhe: Befreite Innenstadt
Eine Stadt ohne Autos ist wie ein August ohne Wespen, ein Baggerseeabend ohne Mücken - oder wie Bremen gestern Nachmittag: Entspannung für alle ohne Auspuff
Beim letzten Mal, 1973, da galt das noch als Freiheitsberaubung: Eine Innenstadt, in die man nicht mit dem Auto fahren darf. Aber seinerzeit baute man auch noch Straßen wie die Bürgermeister-Smidt-Straße, breite Schneisen am Rande der Altstadt, gesäumt von Betonbauten, Bürozeilen und Parkhäusern. Und empfand sie als fortschrittlich. Öd und leer kam sie gestern daher, ihrer Sinnhaftigkeit, ihres Zwecks vollkommen beraubt, statisch, dabei ihre ganze Hässlichkeit offenbarend. Vereinzelt verlieren sich Fußgänger, dazu ein paar Radfahrer, Jogger, die an diesem Tage mal hier ihre Runden drehen. Ganz entspannt. Selbst die AutofahrerInnen fügten sich meist klaglos dem Verbot, wie die Polizei berichtete, umfuhren die City großräumig.
Inzwischen werden in Hamburg, ja, selbst in Italien mehrmals im Jahr in den Stadtzentren autofreie Sonntage veranstaltet - und auch in Bremen will Rot-Grün daraus im Zeichen des Klimawandels eine "bremische Einrichtung" machen, wie ein Sprecher des Umweltressorts sagte. Selbst wenn die CO2-Ersparnis sich "außerhalb des messbaren Bereichs" bewegt, wie ein Politiker der Linkspartei gestern kritisierte. Schließlich beschränkte sich die autofreie Zone weitgehend auf die City, in der noch dazu alle Läden so geschlossen waren wie sonst an diesem Tag.
Wenn, dann strömten sie zum Straßenfest auf die Martinistraße. Und so blieben auch hunderte von Fahrradbügeln am Ansgarikirchhof weitestgehend ungenutzt. Aber die Radler, sie waren auch nicht zum Parken gekommen. Sondern, um einmal wenigstens das leer geräumte Parkhaus rauf- und wieder runterzufahren, diese Weite zu genießen, das Privileg, auf niemand aufpassen zu müssen, da fahren zu dürfen, wo man sonst nur als Störenfried gilt. Ein ebenso erhabenes wie entspanntes Gefühl.
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