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Rüde Kunstgeschichtler

■ Die Wiener Ausstellung „Bildlicht“

Der professurale Medienkünstler Peter Weibel hat gemeinsam mit Wolfgang Drechsler die diesjährige Ausstellung der Wiener Festwochen organisiert. Malerei zwischen Material und Immaterialität haben sie ihre Show untertitelt. Beides, Material und Immaterialität, sind sehr vage Begriffe, und um sich nicht auf diesem unsicheren Terrain zu verlaufen, haben sie sich auf die Zeit nach 1945 beschränkt. 180 Arbeiten sind im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts untergebracht und besetzen die gesamte Bandbreite zwischen „noch kein Bild“ und „nicht mehr Bild“.

Ein schwarzes Bild Ad Reinhardts von 1955 hängt neben einem schwarzen Bild Barnett Newmans von 1952. Man bemerkt die feinen Differenzen: Newman trug Kunstharz auf die Leinwand auf, Reinhardt Öl, Newman ließ einen schmalen Streifen am unteren Ende der Leinwand unbemalt, Reinhardt nicht. „Brutal“ hat Weibel seine Ausstellung genannt. Das ist falsch, insofern hier brav und fleißig verschiedene Beispiele für eine kunstgeschichtliche Plattitüde gesammelt wurden: Bildauffassungen entwickeln sich wie Wurzelwerk, vielfältig und ähnlich. Brutal ist eher die rücksichtslose Bildhängung auf grauen Fertigbauwänden. Eng nebeneinander gereiht, kümmert sie sich nicht um die Aura der Bilder.

Das hat inzwischen Seltenheitswert, seit Rudi Fuchs die Aura der Bilder zum eigentlichen Inhalt seiner Documenta 1982 erklärt hatte. Auch Yves Klein genießt keine Privilegien; unscheinbar hängen seine mit blauer Farbe getränkten Schwämme auf blauem Grund (Relief éponge bleu, 1961). Alles Metaphysische verschwindet in der so gar nicht zimperlichen Präsentation. Eine produktive Vorgehensweise, denn sie relativiert (Kunst-)Geschichtsmythen und betont die Stärken der zeitgenössischen KünstlerInnen, die sich um ähnliche Positionen bemühen.

Statt überall Plagiat zu wittern, wird so sichtbar, daß auch die Klassiker der Moderne verbesserbar sind. Gerwald Rockenschaubs Plexiglaskästchen von 1991, die klein und in je unterschiedlichen Farben fluoreszierend leuchten, erzwingen vergleichsweise geschickter und ironischer eine sich nicht in der reinen Anschauung erfüllende künstlerische Position.

Neben den zahlreichen weniger bekannten KünstlerInnen spricht die Berücksichtigung Op-Art-ähnlicher Arbeiten für den Mut und den Sinn der Ausstellung. Kunst, die rotierende, reflektierende Flächen verwendet, Licht brechendes Glas, eben Tricks, erfüllen nicht die Erwartungen einer souveränen Gestaltung.

Heinz Mack ist mit einem solchen Objekt von 1967 vertreten, auf dem sich eine gewellte Plexiglasscheibe dreht. Bertrand Laviers Bild von 1987 besteht lediglich aus einem Rahmen mit darauf angebrachten Strahlern, die nichts „anstrahlen“, deren Licht selbst die künstlerische Arbeit ausmacht; womit sie im Kern den Anspruch der Op-Art-Generation einlöst.

Solcherart Bildauffassung mit der Aufgabe zu betreuen, die im Untertitel versprochene „Immaterialität“ in die Ausstellung zu tragen, ist leichtfertig. Der Verweis auf den weniger haptischen Bildträger „Licht“ ist zuwenig. Was immer mit dem überspannten Wort „Immaterialität“ anzufangen ist, es kann nur nach Beziehen eines Standpunktes sinnvoll werden, der aus der Geistbeschwörung Logik macht. Stephan Geene

Eine Ausstellung der Wiener Festwochen bis 7. Juli im Museum des 20. Jahrhunderts. Der Katalog hat 352 Seiten und kostet etwa 47 DM

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