: Rücksichtsloser Sparkurs
■ Truppenstandorte sollen aufgelöst, Luftwaffengeschwader dichtgemacht werden / Etatkürzungen waren beabsichtigt
„Ohne Rücksicht auf nationale Termine, sprich Wahlen“, so Bundesverteidigungsminister Volker Rühe auf seiner privaten Pressekonferenz in Hamburg, werde er bei weiteren finanziellen Einschränkungen gezwungen sein, die Bundeswehr umzustrukturieren. Verteidigungsminister Volker Rühe ist erbost darüber, daß Finanzminister, Haushaltsausschuß und Kanzler seinen Etat mehrmals herunterkürzten, ohne ihn vorher konsultiert zu haben.
Lag der Verteidigungsetat ursprünglich bei 50 Milliarden, wurde er zunächst auf 48,6 Milliarden gekürzt und soll im Januar noch weiter zusammengestrichen werden. Da das Geld laut Rühe dann nur noch für den Sold von rund 350.000 Soldaten ausreicht, müsse man damit rechnen, daß die Bundeswehr bald statt 370.000 nur noch 350.000 Mann aufweisen wird. Das Problem wird sich in den kommenden Jahren verschärfen, da die mittelfristige Finanzplanung für den Wehretat in den Jahren '95 bis '98 von maximal 47,5 Milliarden pro Jahr ausgehen wird – Tendenz fallend. Für diesen Fall droht Rühe mit Standortschließungen, die natürlich besonders im Wahljahr schlecht ankommen. Wird etwa in Waigels Wahlkreis eine Kaserne dichgemacht, muß der Finanzminister mit Unruhe rechnen, da damit Arbeitsplätze und Kaufkraft gefährdet wären. Das trifft natürlich auch für jeden anderen Bundeswehrstandort zu und dürfte deshalb jeden potentiell betroffenen Unionskandidaten in helle Aufregung versetzen.
Konkret hat Rühe erst einmal drei Kürzungsbereiche genannt: Das Verteidigungsministerium soll von 5.000 auf 3.000 Mitarbeiter verkleinert werden, es soll geprüft werden, wo bei den Wehrbereichs- und Standortverwaltungen gekürzt werden kann, und auch im Logistikbereich soll durch Privatisierung gespart werden. Wenn das alles nicht ausreichen sollte, müßten Flugzeuge und Schiffe stillgelegt und auch Standorte ganz geschlossen werden. In Richtung seiner bayerischen Widersacher gedacht, wird Rühe dann wohl auch die Produktion des Jäger 90 erneut in Frage stellen. JG
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