Rückkehr wird möglich

Der Bremer Türke Murat Kurnaz ist inhaftiert in Guantanamo. Weil er sich nicht fristgerecht bei der Ausländerbehörde meldete, verlor er seine Bremer Aufenthaltserlaubnis. Zu unrecht, sagt das Gericht

von Friederike Gräff

Derjenige, um dessen Aufenthaltsberechtigung es ging, war nicht im Gericht. So wird der 23-jährige Murat Kurnaz, den die Medien auf der Suche nach einem griffigen Etikett den „Bremer Taliban“ genannt haben, erst von seinen Anwälten erfahren, dass er seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland während seiner Haft im US-Gefangenenlager Guantanamo nicht verloren hat. Das entschied gestern das Bremer Verwaltungsgericht.

Ausschlaggebend war dabei die Frage, ob es dem in Guantanamo inhaftierten Kurnaz möglich gewesen sei, die notwendige Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Nach dem Ausländergesetz, mit dem die Bremer Innenbehörde argumentiert hatte, erlischt eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn ein Ausländer „ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten wieder eingereist ist“. Kurnaz war im Herbst 2001 nach Pakistan gereist, wo er als angebliches al-Qaida-Mitglied verhaftet worden war. Seit Beginn des Jahres 2002 ist er ohne Anklage in Guantanamo inhaftiert.

Nach Ansicht des Gerichts hat er deshalb „nicht die Möglichkeit gehabt, den Fristverlängerungsantrag zu stellen, was nach dem Gesetz sein gutes Recht gewesen sei“, so der Richter Hans-Michael Wollenweber. Damit schloss sich das Gericht der Argumentation der Kurnaz-Anwälte, Bernhard Docke und Armin von Döllen, an. Diese erklärten, dass man Kurnaz bis Juni 2004 anwaltlichen Zugang verweigert habe. Im Oktober habe Kurnaz erstmals mit einem US-Anwalt sprechen können und erst im Januar dieses Jahres sei der Fall an seine Kanzlei übergeben worden.

Den Einwand einer Vertreterin der Ausländerbehörde, dass Kurnaz über seine in Bremen lebende Mutter eine Fristverlängerung hätte erwirken können, ließen weder Anwälte noch Gericht gelten. „Alle Briefe unterliegen strenger Kontrolle“, sagte von Döllen. Auf der Postkarte, die Kurnaz zu einem Zeitpunkt schrieb, als er gefoltert worden sei, stünde: „Mir geht es gut.“

Die Anwälte begrüßten das Urteil, das klarstelle, „dass Recht nicht auf Unrecht gestützt werden darf und der Geist von Guantanamo nicht ins deutsche Recht importiert wird“. Innensenator Röwekamp (CDU), der in der Vergangenheit erklärt hatte, es gebe keinen Handlungsspielraum im Ausländerrecht, solle das Urteil akzeptieren. „Es bleibt zu hoffen“, so die Anwälte, „dass der Innensenator zur Vernunft zurückkehrt und dem Ansehen Bremens in der Öffentlichkeit durch ein etwaiges Rechtsmittel keinen weiteren Schaden zufügt.“ Der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer, wies das als „unangemessene Polemik“ zurück. Das Ressort werde die Urteilsbegründung „sehr sorgfältig prüfen“, um dann über weitere Schritte zu entscheiden.

Amnesty International, das sich in der Vergangenheit mehrfach für die Freilassung Kurnaz’ eingesetzt hatte, begrüßte das Urteil. „Wir freuen uns sehr“, sagte der Amerika-Experte Ferdinand Muggenthaler. „Damit ist klar gestellt, dass die illegale Inhaftierung in Guantanamo in Deutschland nicht nachträglich legitimiert wird.“