Rückgabe an Kamerun: Die Göttin darf gehen
Stiftung Preußischer Kulturbesitz will mit Kamerun über Rückgabe von „Ngonnso“ verhandeln. Aktivist*innen feiern die Heimkehr der verehrten Figur.
Parzinger begrüßte die Entscheidung: „Der Beschluss macht deutlich, dass es bei der Frage der Rückführung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten nicht allein auf einen Unrechtskontext ankommt. Auch die besondere – vor allem spirituelle – Bedeutung eines Objekts für die Herkunftsgesellschaft kann eine Rückgabe begründen. Wir werden nun daran arbeiten, mit der Republik Kamerun und den Vertretern der Nso den Rückgabeprozess zu gestalten“, sagte er laut Pressemitteilung.
Ngonnso ist eine mit Kaurischnecken beklebte Holzfigur von rund einem Meter Höhe, die von EthnologInnen als „Schalenträgerfigur“ bezeichnet wird. Seit der Eröffnung des Ethnologischen Museums im Humboldt Forum vergangenen September ist sie im 2. Stock im Kamerun-Saal zu sehen. Allerdings gibt es seit Jahrzehnten Rückgabeforderungen, viele Kameruner*innen sagen, sie sei ihnen während der deutschen Kolonialherrschaft gestohlen worden.
„Schenkung“ an Kolonialsoldaten?
Seitens der SPK wurde das lange zurückgewiesen, wie die Institution auch in anderen Fällen über Jahrzehnte alle Rückgabeforderungen rigoros abgebügelt hat. Ngonnso sei eine Schenkung des preußischen Offiziers Kurt von Pavel, hieß es immer. Doch Pavel war kein friedlicher Sammler, sondern Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Leiter diverser „Strafexpeditionen“ in Kamerun, mit denen die Deutschen den antikolonialen Widerstand ersticken wollten. Dabei kam er im Januar 1902 auch in die Region Banso und deren Hauptort Kumbo, wo er in den Besitz der Figur kam – wie genau, ist wohl unklar.
In Kamerun ist diese Geschichte schmerzlich lebendig. Vom Volk der Nso, das im Nordwesten des Landes lebt, wird Ngonnso bis heute als Urmutter, Gründerin und spirituelle Kraft verehrt. Nicht wenige schreiben ihrer Abwesenheit kollektive Unglücke zu, von Missernten bis hin zum seit einigen Jahren währenden Bürgerkrieg der englischsprachigen Nordwestregion gegen die frankophone Zentralregierung.
Forderungen nach Rückgabe wurden daher in den letzten 40 Jahren immer wieder formuliert, etwa vom Fon der Nso, dem traditionellen Führer. Bewegung kam in die Sache aber erst mit der Eröffnung des Humboldt Forums und dem Protest von Aktivist*innen der Gruppe „BringbackNgonnso“, die vor dem Museum demonstrierten und deren Wortführerin Sylvie Vernyuy Njobati später mit Parzinger sprechen konnte.
Im Dezember 2021 tauschten sich dann Vertreter der Nso mit Museumsvertreter*innen und Wissenschaftler*innen zur Provenienzgeschichte und der Bedeutung der Figur für die Nso aus. „Sie stellten gemeinsam fest, dass die Ngonnso zwar nicht durch Plünderung im Rahmen von Kriegshandlungen (…) entfernt wurde. Jedoch war von Pavels Aufenthalt in Kumbo auch ohne konkrete Kampfhandlungen Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse und struktureller, kolonialer Gewalt, denn er wurde von Soldaten und bewaffneten Trägern begleitet und sollte einschüchternd auf die Nso’ wirken“, erklärte die Stiftung am Montag.
Inspiration für andere Communities
Auf Seiten der Aktivist*innen wurde die Nachricht mit großer Freude aufgenommen. „Finally“, kommentierte Nyobati für #bringbackngonnso auf Twitter. „We are bringing back Ngonnso“. Sie hoffe, dass dies auch andere Communities ermuntere, Gerechtigkeit zu verlangen. „I am very opened to sharing experiences and learning as well from any one or institution interested“, schrieb sie.
Die nun anstehenden Verhandlungen dürften für Parzinger aber nicht einfach werden, da er sowohl mit dem Fon als auch mit der Zentralregierung über die Modalitäten der Rückgabe verhandeln muss. Laut eines Spiegel-Artikels erhofft sich der Nso-Führer durch Ngonnsos Rückkehr eine Stärkung seiner Macht, was der Regierung in Yaoundé im aktuellen Konflikt kaum schmecken werde.
Andererseits: Im Fall von Nigeria, wo es um die Rückgabe der Benin-Bronzen geht, haben sich lokale und nationale Autoritäten trotz Streitereien auch zusammengetan, um gemeinsam mit den Deutschen zu verhandeln.
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