: Rückfällig aus Flugangst
■ Der Hockey-Bund hofft, daß ein Dopingfall kein Dopingproblem wird
Berlin (taz/dpa) – Ist das Doping, wenn einer mal eine Nase Koks nimmt, oder ist da einer krank? Dies ist die entscheidende Frage in einem Dopingfall, der eigentlich gar kein Dopingfall ist, wenn es nach dem Deutschen Hockey-Bund (DHB) geht.
Erwischt wurde Oliver Kurtz, in der Bundesliga tätig für den Gladbacher HTC. Der 23jährige, der 1992 olympisches Gold in Barcelona gewann, wurde Anfang August beim vorolympischen Turnier in Atlanta getestet. Die Ergebnisse verzögerten sich, und so konnte Kurtz mit der Nationalmannschaft noch Europameister werden. Der Sieg in Atlanta wurde aberkannt, den EM-Titel aber behält das deutsche Team, weil erst zwei Tage nach dem Finale das positive Ergebnis der A-Probe bekannt wurde. Kurtz wurde für internationale Spiele bis zum 30. August 1997 gesperrt. Eine „relativ kurze nationale Sperre“ bis zum 30. April 1996 soll „ihm die Chance der Rehabilitation bieten“, erklärte DHB-Sportdirektor de Vries.
Der DHB bemühte sich, den Vorgang geheimzuhalten. Der internationale Hockey-Verband (FIH) muß solche Sperren nicht notwendigerweise öffentlich machen. Hans Baumgartner, Team- Manager der Nationalmannschaft: „Wir wollten verhindern, daß es an die Öffentlichkeit dringt. Das war vielleicht etwas naiv.“ Zum einen sollte der Spieler geschützt werden, zum anderen natürlich auch das Ansehen des DHB. Für Baumgartner „ist die Frage doch, ist das überhaupt Doping“. Im DHB hat sich die Sprachregelung „Krankheit“ durchgesetzt, die wiederum „der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt“. In einer Stellungnahme an den FIH schrieb DHB- Teamarzt Willi Widenmeyer: „Er hatte schon mehrere Schritte zur Therapie der Suchterkrankung unternommen.“ Kurtz soll aus Flugangst bei der Reise nach Atlanta rückfällig geworden sein. Der FIH schloß sich der DHB-Sprachregelung an und sperrte Kurtz deshalb nur für zwei Jahre.
Mike de Vries, der die Betreuung des Hockey-Maradonas übernommen hat, „telefoniert fast täglich“ mit dem Spieler, versichert Baumgartner: „Wir sind dabei Olli zu helfen. Aber daß er labil war, das können wir nicht sagen. Er war schon immer ein talentierter Hockey-Spieler, aber halt nicht der Fleißigste im Training.“ Aber eine weitere große Sorge, die des „Imageverlusts“, drückt Baumgartner. Deshalb ist Bundestrainer Paul Lissek schon bemüht, Schaden abzuwenden: „Was hier passiert ist, hat nichts mit unserem Sport zu tun. Oliver ist das Opfer einer gefährlichen Entwicklung in unserer Gesellschaft.“ to
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