Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Verfahren kurz nach Beginn vertagt
Verwirrung zum Auftakt des ersten deutschen Völkermord-Prozesses: Die Verteidigung von Onesphore Rwabukombe beschuldigt das BKA der Verwechslung.
FRANKFURT taz | Die Stimmung im Gerichtssaal ist verhalten. Neben unzähligen Pressevertretern haben sich auch vier ruandische Männer im Oberlandesgericht Frankfurt eingefunden. Man kennt sich, begrüßt sich. Sie begrüßen auch den Angeklagten freundlich. Wer ist dieser Mann, der da in grauem Jackett mit lila Hemd mit passender Krawatte, eingerahmt von zwei Anwältinnen und zwei Dolmetschern, auf der Anklagebank sitzt? Sein Gesicht verrät nichts.
Bei der Verlesung der Anklageschrift verzieht Onesphore Rwabukombe keine Miene. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Muvumba in Ruanda, für den Tod von 3.730 Menschen während des ruandischen Völkermordes 1994 verantwortlich zu sein. "Der Angeschuldigte, der selbst der Volksgruppe der Hutu angehört, beteiligte sich 1994 als Bürgermeister einer Kommune im Norden Ruandas verschiedentlich an Pogromen und Massentötungen zum Nachteil der Volksgruppe der Tutsi", heißt es in der Anklageschrift, die zwanzig Minuten lang verlesen wird.
Am 11. April, 13. April und am 15. April habe er drei Massaker koordiniert und befohlen, bei denen mindestens 3.732 Tutsi getötet wurden. Die Anklage stützt sich hauptsächlich auf Zeugenaussagen, die Ermittler des Bundeskriminalamtes in Ruanda eingeholt haben.
Die Anwältin des Angeklagten, Natalie von Wistingshausen, hat Erfahrung. Sie hat auch schon beim UN-Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha mutmaßliche Völkermörder verteidigt. Gleich nach Verlesung der Anklageschrift stellt sie einen Antrag auf volle Akteneinsicht. Das BKA habe im Zuge seiner Ermittlungen zum Massaker am 13. April 1994 in Kabarondo nicht hinreichend geklärt, ob der Angeklagte der befehlende Verantwortliche sei. "Das Gericht muss alternative Sachverhalte ermitteln", so von Wistingshausen. Laut eines Vermerks des BKA in den Ermittlungsakten könne eine Verwechslung vorliegen. Diesem Hinweis aber sei das BKA nicht nachgegangen.
Doch zur Frage, ob sie Zweifel an der wahren Identität Rwabukombes habe, will sich die Juristin nicht äußern. Auch auf die Frage, ob ein Prozess vor einem ruandischen Gericht besser gewesen wäre, will sie keine Antwort geben. Vor Gericht gibt sie lediglich an, ihr Mandant werde keine Angaben zur Person machen und sich auch nicht zur Anklage äußern. Nach dem Antrag der Verteidigung wird der Prozess vertagt auf den 25. Januar. Der erste Verhandlungstag hat gerade mal eine halbe Stunde gedauert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies