Rotrotgrüne Spekulationen in Hessen: Die Volksfront kimmt
Programmatisch liegen SPD, Grüne und Linke in Hessen nicht weit voneinander. Das Personal der hessischen Linken aber halten SPD und Grüne nicht für satisfaktionsfähig.
WIESBADEN taz Der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt, ist fassungslos: Man habe Roland Koch doch fast schon "in die Knie gezwungen" und den letzten Umfragen nach würden die meisten Hessen eine rot-grüne Koalition bevorzugen. Nur noch ein paar Prozentpunkte fehlten zum Sieg. "Und jetzt kommt Cohn-Bendit daher und erzählt so einen kontraproduktiven Käse", sagt Schmitt. Mit dem Vorschlag, sich notfalls auch mit der Linkspartei zu verbünden, habe Cohn-Bendit dem "Angstmacher Koch", der ohnehin schon Stimmung gegen eine frei erfundene "linken Volksfront" mache, einen "sauberen Aufschlag" serviert.
Doch seine Partei sei sich mit den hessischen Grünen darin einig, dass es nach einem eventuellen Einzug der Linken in den Landtag mit ihr "keinerlei Zusammenarbeit" geben werde. Das personelle Angebot der Linken sei "inakzeptabel" und die Ideologie "rückwärtsgewandt".
Tatsächlich haben Sozialdemokraten, Grüne und Linke in Hessen viele Gemeinsamkeiten. Ganz Unrecht hatte Roland Koch jedenfalls nicht, als er jüngst im Landtag giftete, seine Herausforderin könne die Programme von SPD und Linkspartei mit der Schere auseinanderschnipseln und bei Dunkelheit neu zusammensetzen. Welche Teile von der SPD und welche von den Linken stammten, werde sie nicht mehr erkennen können, sagte Koch, ohne dass Andrea Ypsilanti widersprochen hätte.
"Es gibt programmatische Kongruenz", räumt auch die Sprecherin der Landtagsfraktion der hessischen Grünen, Elke Cezanne, ein. Doch um ihre Ziele zu realisieren, seien Grüne und SPD nicht auf die Linke angewiesen. Man werde es "zusammen alleine schaffen", die Studiengebühren wieder abzuschaffen, die Energiewende einzuleiten und in Hessen eine integrative und zukunftsweisende Schulpolitik zu etablieren. Und der Partei- und Fraktionsvorsitzende der hessischen Grünen, Tarek al-Wazir, wirft der Linkspartei vor, in Ermangelung eigener Programmatik "alles aus den Programmen von SPD und Grünen abgeschrieben" zu haben.
Doch schon bei der Frage nach der Finanzierung teurer Maßnahmen etwa im Bereich Schule verlasse die Linke den Boden der Realitäten: "Wenn mir eine Linke, die auf dem aussichtsreichen Platz fünf der Landesliste steht, erzählt, dass sie kleinere Klassen mit Kosteneinsparungen bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr finanzieren wolle, dann ist das doch krudes Zeug", sagt al-Wazir. Mit diesen Leuten könne man nicht regieren. Zudem korrigiere das "Zentralkomitee" der Linken in Berlin laufend den Kurs ihrer Leute in Hessen.
Hatten die hessischen Linken noch in der vergangenen Woche beteuert, auf jeden Fall in die Opposition zu gehen, scheint nun ein Gesinnungswandel eingetreten zu sein. Im Gespräch mit der taz wollte Spitzenkandidat Willi van Ooyen eine Koalition mit der SPD und den Grünen nicht länger ausschließen. Allerdings müssten "die Inhalte "stimmen", und da sei er skeptisch. Ansonsten ist man bei der Linken darum bemüht, sich von der SPD abzugrenzen. So reklamiert van Ooyens Stellvertreterin Marjana Scholl das Urheberrecht für die Mindestlohnkampagne und wirft der SPD "Wortradikalismus" bei der Bekämpfung der Kinderarmut vor. "Frau Ypsilanti verspricht, was ihre Partei nicht hält", sagt sie.
Und was geht mit der FDP? Die sei der SPD "psychologisch näher" als die CDU, sagte Ypsilantis Schattenminister für Umwelt und Wirtschaft, Hermann Scheer. Doch gerade in Energiefragen liege die FDP ganz auf der Linie von Koch. Das sehen die Grünen genauso.
Allerdings schließt die hessische FDP eine Ampelkoalition kategorisch aus. "Entweder reicht es für Schwarz-Gelb oder die FDP ist Oppositionspartei", betont der Landesvorsitzende der Liberalen, Jörg-Uwe Hahn.
Liegt Cohn-Bendit mit seinem Rat völlig daneben? "Der Dany" habe immer "solche Ideen", sagt al-Wazir. Für Rot-Grün werde es schon reichen. Schließlich wollten die "anständigen Hessen" wieder von einem Ministerpräsidenten regiert werden, "für den sie sich nicht zu schämen brauchen".
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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