Das Portrait: Rote, tiefe Stimme
■ Juliane Bartel
Am Freitag hat sie immer gequatscht. Wenn sie sich in der Talkshow „III nach 9“ allerhand Gäste eingeladen hatte, mochte sie sich nie von der Laune der Leute abhängig machen. Filmemacher sollen ihr ein Graus gewesen sein, und deutsche Schauspieler, na ja, die waren auch nicht einfach zu handhaben. Aber sie hat sie alle gekriegt. Weil sie so schnell und präzise geschaltet hat, weil sie so schön lachen konnte, weil sie so gut war. So souverän. Juliane Bartel ist tot.
„Giovanni“, hatte sie am Freitag dem Kollegen di Lorenzo vom Krankenbett in den Sender gefaxt: „Giovanni, mein Herz gehört dir in dreifacher Weise – als Freundin, als Kollegin und in großer Liebe und Bewunderung.“ Und di Lorenzo hielt für sie sein Herz in die Kamera, aus Lebkuchen und mit Zuckerguß: „Wir lieben dich“. Aber da war die Bartel schon nicht mehr.
Sie wurde 52 Jahre alt. Die vergangenen zwanzig Jahre lebte sie mit nur einem Lungenflügel. Sie hatte ihre Lust, das Rauchen, nicht aufgeben wollen. Nun sind wir allein. Ohne die Stimme, diese tiefe, rauchige Leidenschaft.
Juliane Bartel war das Sprechen gegeben. Mit dem „Echo am Morgen“ (SFB) weckte sie in den 70ern die Berliner vor und hinter der Mauer auf. Um sechs Uhr hatten Politiker ausgeschlafen zu sein. Instinktiv und zielgenau konnte sich die Bartel in ihre Schwachstellen hineinfragen. Und ließ nicht los, auch wenn sich einer von ihnen im Netz verhedderte. In den 80er konvertierte sie zum Fernsehen: „Das Gedudel und Gelaber sind nicht mehr meine Welt.“ Vorbei war auch die Zeit des Kofferradios. Welche Moderatorin, welcher Moderator waren es wert, mit unter die Dusche genommen zu werden? So nah wie die Bartel kam niemand an den Hörer heran. Bis heute nicht.
Juliane Bartel fand Gefallen an Talkshows. „Alex“ und „III nach 9“ wurden ihr Ding. Aber das Fernsehen entzauberte ihre Stimme. Der sonore Ton kam ihr beim Quatschen nicht abhanden. Nun stand eben das Politische nicht mehr in ihrem Mittelpunkt. Aber das TV ist auch keine Erziehungsanstalt, mag sie sich gedacht haben. Allen Anfechtungen des Zeitgeistes hat „III nach 9“ ja auch tapfer widerstanden. Die Sendung mußte es zeitweise mit neun Talkrunden zur selben Zeit aufnehmen. Sie konnte, dank Bartel. Die beherrschte noch den Unterschied zwischen dem „Wie“ und dem „Warum“. Sie hatte keinen Talg im Kopf. Talk war ihre Stärke. Annette Rogalla
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