Rot-rote Wohnungspolitik: Sozialmieten steigen langsamer
Sozialwohnungen sollen unter dem Mietspiegel liegen. Allerdings dürfte es viele Ausnahmen geben. Und billiger werden die Wohnungen damit nicht.
Der Senat will gegen die teils drastischen Mietsteigerungen bei Sozialwohnungen vorgehen. In Zukunft sollen deren Mieten nicht höher sein als Mieten auf dem freien Markt. Den Gesetzesentwurf für die landesweit etwa 172.000 Sozialwohnungen hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Montag an die Mieter- und Eigentümerverbände geschickt. Derzeit liegen Sozialmieten absurderweise teilweise deutlich über den Mietpreisen auf dem freien Wohnungsmarkt.
Ziel sei, im sozialen Wohnungsbau dauerhaft tragbare Mieten zu sichern, erklärte Junge-Reyer. Sie will eine Richtsatzmiete festlegen, die sich am Mietspiegel orientiert: Geplant ist, dass dieser Richtsatz bis zu 10 Prozent unter dem Mietspiegelniveau liegt. Ob dieser Minimalwert erreicht wird und wie viele Wohnungen tatsächlich billiger als vergleichbare am freien Markt sein sollen, ist noch unklar. Verwaltungssprecher Mathias Gille sagte am Dienstag, mit den Akteuren werde nun diskutiert, was mach- und erreichbar sei. "Wir wollen Sicherheit für Mieter und zugleich vermeiden, dass Vermieter insolvent gehen." Bis Ende 2019 soll eine Übergangsfrist gelten.
Sozialwohnungen sind eigentlich für Menschen gedacht, die sich Mieten am freien Markt nicht leisten können. Anwärter müssen einen Wohnberechtigungsschein dafür beantragen. Paradoxerweise sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits jetzt 37 Prozent der Sozialwohnungen teurer als Wohnungen am freien Markt. Grund dafür ist, dass das Land die Zuschüsse an Vermieter solcher Wohnungen jedes Jahr um 13 Cent je Quadratmeter kürzt. Die Vermieter können sich das fehlende Geld aber von den Mietern holen - mit dem Ergebnis, dass die Mieten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sind. Außerdem stehen 3,5 Prozent und damit tausende Sozialwohnungen leer, weil sich keiner mehr für sie interessiert.
Künftig sollen Vermieter nur noch dann die 13 Cent an die Bewohner weitergeben dürfen, wenn die Miete unter dem Richtsatz liegt. Liegt sie darüber, muss der Eigentümer die Miete allerdings nicht senken - nur weiter erhöhen ist dann verboten. Zumindest so lange, bis die ortsübliche Miete den Richtsatz wieder übersteigt.
Damit der Vorschlag für Eigentümer attraktiv wird, bietet ihnen der Senat an, Förderdarlehen billiger zurückzuzahlen: Wer seinen Kredit bis 2015 begleicht, soll mindestens 10 Prozent weniger zahlen müssen. Zudem darf jede zweite Sozialwohnung, die frei wird, in den freien Markt überführt werden. Das soll ein Anreiz für die Vermieter sein, weil sie für diese Wohnungen theoretisch höhere Mieten verlangen können. Praktisch ist allerdings unklar, ob das der Fall ist. So könnte es dazu kommen, dass bei einer Sozialwohnung ein höherer Quadratmeterpreis fällig wird als für die darüber liegende Wohnung auf dem freien Markt.
Darf der Hauseigentümer frei entscheiden, welche Wohnungen er als Sozialwohnungen belässt und welche er in den freien Markt nimmt, ist ein weiteres Szenario wahrscheinlich: Eigentümer würden dann vermutlich die Sozialwohnungen in lukrativen Lagen frei vermieten und nur die Sozialwohnungen in unattraktiven Lagen weiterhin als Sozialwohnung vergeben. "Das wäre dann das Gegenteil von dem, was wir wollen", kritisiert Oliver Schruoffeneger, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion.
Verwaltungssprecher Gille wehrte den Vorwurf ab, durch den Wegfall von bis zu 86.000 Sozialwohnungen hätten viele Bedürftige keine Chance mehr auf bezahlbaren Wohnraum. "In dieser Stadt wird es möglich sein, in der Innenstadt zu wohnen, auch wenn man weniger Geld zur Verfügung hat", sagte er. Zudem sei davon auszugehen, dass sich die Wirtschaft positiv entwickele und damit die Zahl der Sozialhilfeempfänger sinke.
Grünen-Politiker Schruoffeneger vermutet, dass die um 10 Prozent vergünstigte Kreditrückzahlung nicht attraktiv für die Hauseigentümer ist. "Auf Einzelantrag gibt es jetzt schon Nachlässe von 30 bis 40 Prozent auf den Barwert", sagt er.
Auch der Berliner Mieterverein äußert sich verhalten zu dem Vorschlag von Junge-Reyer. Zunächst sei es ein Erfolg, dass es überhaupt ein Gesetz geben soll. "Doch das, was derzeit vorliegt, soll vor allem eine Kompromisslösung sein", sagt Michael Roggenbrodt, stellvertretender Geschäftsführer der Mietervereins. Der Verein fordert, über die vorgeschlagenen 10 Prozent Abstand zur ortsüblichen Miete hinaus zu gehen. In Gebieten mit einem hohen Anteil einkommensschwacher Haushalte solle die Miete nicht höher liegen dürfen als 15 Prozent unter der Vergleichsmiete. Eine ernst zu nehmende Analyse des Gesetzesentwurfs könne man allerdings erst dann machen, wenn der Vorschlag auch vorliege.
Ohnehin ist der aktuelle Entwurf nur als Brücke gedacht: In 20 Jahren sollen die Sozialbindungen für alle Wohnungen auslaufen. Dann will der Senat neu verhandeln.
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