Rot-Rot-Grün im Saarland: Grüne fürchten Linke
Lassen die Saar-Grünen eine rot-rot-grüne Koalition scheitern? Klagen von Linkspartei-Mitgliedern gegen eine fragwürdige Kandidatenaufstellung könnten den Grünen einen Anlass liefern.
OTZENHAUSEN taz | Auch nach dem zweiten und letzten Sondierungsgespräch zwischen SPD und Grünen im Saarland in der Europäischen Akademie Otzenhausen konstatierten beide Seiten ein hohes Maß an Übereinstimmung. Die Verhandlungsatmosphäre sei am Donnerstagabend wieder "überaus angenehm" gewesen, sagte der Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD Saar, Heiko Maas.
Schon das erste Sondierungsgespräch zwischen SPD und der Linken am vergangenen Sonntag war "sehr harmonisch" (Maas) verlaufen, die Programme beider Parteien wurden als "durchaus kompatibel" (Linke) bezeichnet. Nach Verhandlungsschluss gab es gar ein Foto, das Maas und Lafontaine lächelnd beim Händedruck zeigt, und es war keine Fotomontage. Maas, der Lafontaine noch im Wahlkampf als "zeternden Opa aus der Muppet Show" geschmäht hatte, weiß genau, dass er ohne die Linke nicht Ministerpräsident an der Saar werden kann.
Aber ohne die Grünen auch nicht. Doch die Grünen können nicht mit der Linken - wenigstens nicht mit zwei Landtagsabgeordneten, denen Grünen-Chef Hubert Ulrich unterstellt, "fremdgesteuert" zu sein. Dabei soll es sich um die von den Grünen zu Linken konvertierten neuen Volksvertreter Barbara Spaniol und Ralf Georgi aus dem Kreisverband Saarpfalz handeln, die beide in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Arzt und früheren Landtagsabgeordneten Andreas Pollak stünden, so die Grünen. Pollak bestreitet das. Spaniol ist die Ehefrau des wegen (Rezept-)Betrugs und anderer Delikte angeklagten Pollak. Und Georgi war in der Arztpraxis von Pollak das "Mädchen für alles", so ein Grüner aus Saarpfalz.
Weil es schon im März bei der Wahl von Spaniol und Georgi auf die Liste der Linken im Wahlkreis Neunkirchen zu Unregelmäßigkeiten und Irritationen gekommen sein soll, glaubt Ulrich, dass die beiden Linken eine "Gefahr für das ganze Land" seien. Tatsächlich basiert eine jetzt von dem ehrenamtlichen Landesverfassungsrichter Rechtsanwalt Hans-Georg Warken (CDU) neu eingereichte Anfechtung der Landtagswahl auf Vorwürfen von fünf Mitgliedern der Linken. So sollen bei dieser Listenaufstellung Nichtmitglieder der Partei ebenso mitgestimmt haben wie ein nicht wahlberechtigter türkischer Staatsbürger. Auch sei die Wahl nicht geheim gewesen; vielfach hätten Anwesende ihre Stimmkarten "öffentlich auf den Knien" ausgefüllt.
Auf Nachfrage der taz erklärte Warken, dass es in der Anfechtungsklage nun zusätzlich noch darum gehe, dass einige Linke vor den Abstimmungen auf dem Listenparteitag gleich zwei Stimmzettel erhalten hätten und dass ihm zu allen bis jetzt bekannt gewordenen "dubiosen Vorgängen" eidesstattliche Versicherungen vorlägen. Zudem verfüge er über einen Brief des türkischen Staatsbürgers an die Parteiführung der Linken, in dem dieser sich darüber wundert, dass er bei der Ausgabe der Stimmkarten seinen Pass nicht habe vorzeigen müssen. Über die Anfechtung der Landtagswahl muss jetzt der neue Landtag entscheiden. Im Fall einer Ablehnung will Warken das Landesverfassungsgericht anrufen.
Mit Hochspannung wartet man an der Saar jetzt auf das erste, noch nicht terminierte Dreiergespräch zwischen SPD, Grünen und Linken. Schließlich haben die Grünen auch mit Lafontaine so ihre Probleme.
Harmonie in "Jamaika"
Die gerade 66 Jahre alt gewordene Ikone der Linken hatte den Grünen im Wahlkampf unterstellt, dass sie sich mit Müller (CDU) längst auf eine Jamaika-Koalition verständigt hätten. Übrigens: Mit der CDU und Müller haben die Grünen auch schon gesprochen. "Harmonisch" soll es dabei zugegangen sein, berichteten beide Seiten danach; über die Gesprächsinhalte aber wurde Stillschweigen vereinbart.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé