■ Rosi Rolands Bremer Klatschgeschichten: Was kostet eine weiße Weste?
Wenn ein Herr mit feiner weißer Weste eine neue weiße Weste braucht, dann muss er hin und wieder dafür kräftig zahlen. Ingo Kramer, Unternehmer der nach seinem Vater benannten Unternehmensgruppe „J+H+K“ ist im Ehrenamt Bremerhavens Handelskammer-Präsident, repräsentiert also alle Unternehmer, und nebenbei macht er FDP-Politik in der Seestadt. Er hatte kürzlich ein Problem mit seiner weißen Weste. Aber der Berliner Staatsanwalt Radu hatte ein Einsehen und bot ihm eine goldene Brücke an: Ingo Kramer sollte an eine von ihm zu benennende gemeinnützige Einrichtung 5.000 Mark zahlen, dann würde der Staatsanwalt „von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen“. Verhandeln lassen wollte der Staatsanwalt nicht mit sich: „Falls mir das Einverständnis nicht innerhalb der gesetzten Frist erklärt wird, bin ich gehalten, Anklage zu erheben.“ Im umgekehrten Falle wurde gentleman-like Stillschweigen angeboten: „Bei Einstellung wird nicht in das Bundeszentralregister (Strafregister) eingetragen.“
Ingo Kramer zahlte fristgerecht, obwohl noch keine gemeinnützige Einrichtung zu seiner Unternehmensgrup-pe zählt und das schöne Geld für ihn damit einfach futsch war. Aber die 5.000 Mark sind nicht viel, klassische Peanuts für J+H+K, auf deutsch Erdnüsse. Und das vor allem im Vergleich zu der Summe, die Kramer an die Berliner Arzneimittel-Firma Schering zahlen musste. Dass der Schaden, der Schering zugefügt worden war, beglichen wurde, war für die Staatsanwaltschaft die Voraussetzung für ihr großzügiges Angebot
Kramer zahlte gemeinnützig aus ganz eigennützigen Motiven: Er ersparte sich dadurch die richterliche Aufklärung der Hintergründe seines Problems. Es gab Rechnungen einer Berliner Betriebsstätte der Kramer-Gruppe an Schering, bei denen die Gegenleistungen nicht ganz eindeutig waren. Kramer muss das auch so gesehen haben, sonst hätte er nicht an Schering gezahlt.
Warum konnte er den Fall nicht auf einen kleinen Mitarbeiter abschieben, den man wegen Bestechungsversuchen oder Unterschlagung hätte entlassen können? Warum musste der Firmenchef die peinliche Angelegenheit auf seine Kappe nehmen? Ganz einfach: Kramer hing knietief selbst im Sumpf. Er persönlich hatte dem Geschäftsführer seiner Ahlhorner Tochterfirma gesagt, er solle Geld nach Berlin überweisen. Der verstand die Sache so, dass er seiner Frau sagte, sie solle vom Privatkonto auf das Privatkonto in Berlin mal eben 'ne Summe überweisen. Beim ersten Mal waren es 10.000 Mark, dann noch mal 10.000 Mark. Die holte sich der Ahlhorner Geldbote aus der Firmenkasse wieder. Es sei irgendwie um Rechnungen von Schmiergeldern für Schering gegangen, für die es keine Gegenleistung gab, gab der Ahlhorner Geschäftsführer später bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll bei Polizeikommissar Maschmann: Ingo Kramer habe gesagt, das sei kein Betrug, er solle das betriebswirtschaftlich sehen, das Geld bleibe ja in der Firmengruppe.
Wenn die Staatsanwältin das auch überzeugend gefunden hat, dann muss es ja so sein, staunt
Ihre Rosi Roland
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