■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: The Kings of Fishtown
Wer wird King of Fishtown? Seit dem 24. September, jenem schwarzen Wahl-Sonntag, an dem das gemeine Volk die Bremerhavener SPD vom Thron gestoßen hat, ist für die CDU klar: Ein Christdemokrat muß es sein. Ex-Spitzenkandidat Hans-Joachim Petersen hat auch schon Anspruch auf den Thron erhoben. Der Polit-Frischling, der vor sechs Wochen zum Stadtverordnetenvorsteher gekrönt wurde, betrachtet sich jetzt als obersten Repräsentanten Fishtowns. „Die Vertretung der Bürger wird von der Stadtverordnetenversammlung wahrgenommen und nicht vom Magistrat“, proklamiert Petersen. Das heißt nichts weiter als: Wenn sich irgendwelche Würdenträger nach Fishtown verirren, will er es sein, der Hände schüttelt – und nicht der neue Oberbürgermeister Manfred Richter (FDP).
Der Rechtsanwalt Dr. Manfred Ernst (Autor von: „Der aufrechte Gang“) wagte zu widersprechen. „Petersen ist nicht die Rita Süssmuth Bremerhavens“, vehöhnte er „die Rangordner“ im Bremerhavener Sonntagsjournal. „Wirtschaft und Arbeit erwarten Aufträge und Lohn. Und nicht die Einführung des spanischen Hofzeremoniells zur Repräsentation politischer Macht“, schrieb Ernst in seinem Kommentar.
Außer sich vor Wut trommelte die CDU den Krisenstab zusammen. Die Christdemokraten kauften – angeblich für teures Geld – ein rechtswissenschaftliches Gutachten, das Petersen wie gewünscht auf den Thron hievt. Der aufmüpfige Untertan Ernst sollte mundtot gemacht werden. CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Teiser schrieb deshalb an die Chefredaktion des Sonntagsjournals. Es sei „nicht nachvollziehbar“ warum „gerade Herrn Ernst“, die Gelegenheit gegeben werde, „seine politisch einseitige Privatmeinung (...) kundzutun“, wetterte Teiser und verlangte „Mitteilung, inwieweit das Sonntagsjournal die presserechtliche Verantwortung für die 'Meinung' des Herrn Ernst übernimmt.“ Daß sich die Redakteure der kleinen wackeren Zeitung vor Lachen die Bäuche hielten, ist überliefert.
Jetzt fühlt sich die Nordsee-Zeitung berufen, den Streit zu schlichten. Das Heimatblatt (Werbeslogan: „Ist doch mal was Anständiges) hat auch ein Rechtsgutachten bestellt und pünklich zur Amtseinführung von Richter veröffentlicht. Ergebnis: Der Oberbürgermeister ist der erste Mann in der Stadt. Kein Wunder. Die NZ hat dem FDP-Mann nämlich seinerzeit den Posten im wahrsten Sinne des Wortes zugeschrieben (der Verleger ist mit Genscher befreundet). Und daß das Heimatblatt seinen Günstling jetzt nicht fallenläßt, gehört in Fischtown nun mal zum guten Ton, weiß Rosi Roland
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