■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Der richtige im falschen Beifall
Mal deutlich, mal deutlich weniger sei der Beifall für Helmut Kohl beim CDU-Neujahrsempfang gewesen, hat CDU-Fraktionsvorsitzender Jens Eckhoff erklärt, da müsse man genau hinhören. Und ein „Applausometer“ dabei haben, witzelte daraufhin der SPD-Politiker Horst Isola.
„Ehrenwort, Ehrensache“ rief eine kleine Gruppe gut gekleideter Besucher. Zwei Männern mit schwarz-rot-goldener Krawatte hatten einen Button „Ehrenwort – Ehrensache“ am Revers, umrandet von der Silhouette einer Badewanne. Als der Ex-Kanzler in den Saal trat, hörte er die Rufe, und er hörte sie sichtlich gern, drehte sich um, winkte den beiden von weitem zu.
Zu Ehren des Ehrenvorsitzenden wurde übrigens auf der Versammlung Geld feilgeboten, in bar, wie es sich gehört: Übergroße 1000-Mark-Scheine mit dem Konterfei des Ehrenvorsitzenden. Die CDU-Mitglieder, vorsichtiger geworden bei der Annahme von Bargeld, drehten sich angewidert weg.
Richtig viel richtigen CDU-Applaus gab es dagegen in der Bürgerschaft, als SPD-Bürgermeister Henning Scherf den grünen Protestanten Hermann Kuhn zur Sau machte. Das sei ihm, so der Jurist und Verfassungsexperte, noch nicht passiert, dass Oppositionspolitiker meinten, Vorschläge für die Besetzung der Regierung machen zu können. Kuhn hatte vorgeschlagen, den Senat von sieben auf acht Mitglieder zu vergrößern (und damit die Verfassungsänderung zugunsten der Staatsräte „de luxe“ zu sparen). Niemand in den Reihen der SPD klatschte allerdings. Und dann ging Isola ans Podium und erklärte, nach der Bremer Verfassung bestimme die Legislative, wie viele Mitglieder der Senat haben solle, und die Opposition gehöre durchaus zur Legislative. Lange Gesichter bei der CDU, deutlicher Beifall bei den Grünen und bei der SPD.
Das Applausometer versagte in der Debatte um die Wirtschaftsförderung, die BIG und deren „Big Boss“ Ulrich Keller. „Hattig stärkt der BIG nachhaltig den Rücken“, berichtete die WELT darüber, denn Hattig habe gesagt, ihm seien „starke Köpfe lieber als krumme Rücken“. Das war nicht ganz die Wahrheit. Derzeit rühmt sich Finanzsenator Perschau z.B., den Verkauf des Siemens-Hochhauses an die Zech-Gruppe zu sondieren – obwohl das Haus der BIG gehört und die BIG dem Wirtschaftssenator zugeordnet ist. BIG-Chef Keller schweigt dazu, denn auch Hattig schweigt – freut er sich am Anblick des krummen Rückens seines Big Boss? Fragt sich Rosi Roland
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