Ronald Schill: Rechtspopulist a.D. rechnet ab
Nach vier Jahren im selbst gewählten Exil hatte Ronald Schill seinen ersten Auftritt in Hamburg. Er genoss ihn - und versprach, nicht in die Politik zurückzukehren.
Der Einzug des Hauptdarstellers erfolgt mit Verspätung. Fast vier Jahre lang galt er als verschollen, gesichtet mal in Kuba, mal an der Copa Cabana, da kommt es auf ein paar Minuten auch nicht mehr an. Endlich öffnet sich die hölzerne Flügeltür, und er ist wieder da.
In aufrechter Haltung schreitet er die Zuschauerbank im Verhandlungssaal des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) entlang, lächelt und hebt die Hand zum Gruß wie Queen Elisabeth II.: Ronald Barnabas Schill, 48 Jahre alt, "beruflich früher mal Taxifahrer", wie er Minuten später im Zeugenstand sagen wird. Aber so weit ist es noch nicht, denn jetzt stürzt sich erst einmal die Fotografenmeute auf ihn. Schill dreht sich wie ein Model im Kreis.
Seit Jahren hat die Hamburger Opposition aus SPD und GAL auf diesen Auftritt gewartet. Der PUA soll Misstände in einem geschlossenen Heim für jugendliche Straftäter aufklären. Dafür muss er auch die zuständigen Senatoren anhören. Nachdem er Taxi gefahren war, hatte Schill Jura studiert, war Amtsrichter geworden und schließlich Innensenator der Hansestadt. In dieser Funktion sollte auch er vorgeladen werden, aber das gelang einfach nicht. Schill hatte keine Adresse, an die man die Ladung hätte schicken können. 2003 hatte CDU-Bürgermeister Ole von Beust seinen Koalitionspartner unehrenhaft aus der Regierung geschmissen, weil Schill angedroht hatte, Details über des Stadtchefs Sexualleben zu veröffentlichen. Seither war er abgetaucht.
Mal gab es einen Schnappschuss von ihm, wie er in kurzen Hosen durch Rio de Janeiro radelte, mal wurde er mit der Ex-Frau von Udo Jürgens an einem brasilianischen Strand entdeckt. Vorigen Herbst wurde er sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Aber die Polizei hat im Falle ihres Exvorgesetzten kläglich versagt. Schlussendlich konnte Schill sogar mit einem abgelaufenen Reisepass von Brasilien aus einreisen. Niemand hat es bemerkt.
Dass der einstige Vorsitzende der "Partei rechtsstaatlicher Offensive", der Einfachheit einfach "Schill-Partei" genannt, wieder im Lande ist, wurde vor etwa zwei Wochen publik. Da erschien er unvermittelt auf dem Meldeamt der Kleinstadt Itzehoe, um seinen Pass verlängern zu lassen. Das war der große Moment der Opposition: Sie schlug in Form einer schriftlichen Zeugenladung zu.
Sie hat Schill damit auch einen Gefallen getan. Er hat noch jede Bühne für sich zu nutzen gewusst. Schon als Amtsrichter hatte er durch seine Urteile Politik gemacht, bis er schließlich als "Richter Gnadenlos" Berühmtheit erlangt hatte. Dieser Auftritt vor dem PUA nun gibt ihm Gelegenheit, mit früheren Senatskollegen abzurechnen.
Bürgermeister Ole von Beust kommt vergleichsweise gut dabei weg. Der steht nur als dummer Junge da, der sich gegen seine inkompetente Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram nicht durchzusetzen vermochte. Schill nennt von Beust zunächst stets "Bürgermeister eins", womit er daran erinnert, dass es auch einen zweiten Bürgermeister gab, nämlich ihn.
In Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram habe er einst große Hoffnungen gesetzt, jammert Schill, doch sie habe ihn bitterlich enttäuscht. Er wollte junge Straftäter isolieren, sie kam immer wieder mit Aspekten der Jugendhilfe daher. Zur Strafe bekommt die Öffentlichkeit nun zu hören, Schnieber-Jastram sei "pflegeleicht und abwaschbar". Immer wieder habe Schill BGM 1 angehalten, seine Senatorin "zu maßregeln", aber diese habe einfach nicht in seinem Sinne pariert. "Sie hat total versagt."
Die Zuschauer lieben ihn für seine klaren Worte. Es sind vor allem Frauen und ältere Herren, die zu seinem Auftritt gekommen sind. In der Mitte sitzen drei blondierte Damen mit Dauerwelle. "Er ist ein toller Typ, und er macht eine tolle Politik", schwärmt eine und zupft ihren rosa Strickpullover in Form. Ihre Freundin nickt bestätigend. Sie hat die gleiche Frisur wie Schills Exfreundin Katrin Freund, langes blondes Haar und Pony mit 80er-Jahre-Fönwelle. Auf die Frage, ob die drei ein Fan-Club seien, fühlt sie sich nicht herabgewürdigt, sondern nickt begeistert.
Schill ist wenige Monate vor der Hamburger Bürgerschaftswahl Ende Februar zurückgekehrt. Doch in einer Verhandlungspause behauptet er, dass er derzeit nicht in die Politik zurückwolle. Dabei hätte er dort einiges wieder gut zu machen. Vor zwei Wochen in Itzehoe hatte er die Öffentlichkeit wissen lassen, dass er persönlich schuld sei an Bundeskanzlerin Angela Merkel "und ihrer Koalition des Stillstandes". Denn er habe 2002 den tragischen Fehler begangen, mit seiner Partei für die Bundestagswahl 2002 zu kandidieren. Dadurch habe er der CSU nötige Stimmen weggeschnappt und Edmund Stoiber sei deshalb nicht Kanzler geworden.
Seine Bewunderer hoffen sehnlich auf seine endgültige Rückkehr. Begeistert strecken ihm einige Zuschauer ihre Hand entgegen, als er vorüberzieht. Schill schüttelt schließlich einer älteren Dame die Hand. Die hat mittlerweile in Hamburger Gerichten Hausverbot, weil sie dort wiederholt mit Pöbeleien aufgefallen war. Aber das kann Schill nicht wissen. Er war ja in Rio.
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